Eintracht – eine kleine Aufstiegsgeschichte bis zum Bundesligaaufstieg am 26.04.2013

Als im März 2010 das Schneechaos-Spiel in Ingolstadt ansteht, ahnt keiner von uns nur ansatzweise, was wir am 26.04.2013 in Ingolstadt erleben dürfen. Es ist eine der außergwöhnlichsten Geschichten des modernen Fußballs, eine Geschichte, die eigentlich gar nicht mehr möglich war. Und doch dürfen wir dieses Fußball-Märchen erleben. Nach wie vor ein Traum.

2008 stehen wir kurz vorm Abgrund – vor dem Abstieg in die 4. Liga. Insolvenz, Absturz, Bedeutungslosigkeit – alles realistische Szenarien. Und dann kommt der letzte Spieltag mit der Rettung am letzten Spieltag. Die ganze Saison, in der es um die Qualifikation um die eingleisige 3. Liga geht, unter dem Strich. Am letzten Spieltag die Rettung. Einer der Helden der Rückrunde ist der Valentin Nastase, u.a. auch mit seinem Tor am vorletzten Spieltag in Ahlen. Am letzten Spieltag Elfmeterschütze, aber alles wäre nichts gewesen ohne die Schützenhilfe von Lübeck. Bei diesem Video krieg ich nach wie vor Gänsehaut. Ein unfassbar emotionaler Tag.

Langsam geht es voran, wer es wesentlich vorantreibt, ist Torsten Lieberknecht. Er hat den Trainerposten drei Spieltage vor Ende übernommen, er hat den überlebenswichtigen Klassenerhalt gesichert. Und nun entwickelt sich die Mannschaft.

Ein Meilenstein in meinen Augen das Spiel in Ingolstadt 2010. Brinkmann zeigt seine Überforderung in allen Bereichen mehr als deutlich – wenig später ist das Kapitel erledigt – und die Mannschaft zeigt, was in ihr steckt.

Wir haben eine schneereiche Anfahrt von gut sieben Stunden, der Winter zeigt sich Anfang März noch mal heftigst. Das Spiel steht auf der Kippe, reihenweise werden Spiele abgesagt, teilweise eiern wir mit 80 über die Autobahn, gerade so erreichen wir das Stadion. Parken, im Sprint zum Stadion und kaum drin geht’s auch schon los. 0:3 zur Halbzeit, ein gebrauchter Tag. Und dann Henn, nochmal Henn und Kumebla. 3:3. Durchdrehen. Euphorie. Die Länge der Rückfahrt egal. Der Grund, warum man auswärts fährt.

Fast gelingt noch der Aufstieg in der Saison, am Ende ist es der vierte Platz, hinterher fragt man sich, wozu es gut war. 2010/11 zeigt es sich dann. Wo der Mannschaft 2010 noch die Reife fehlte, ist sie nun die die personifizierte Souveränität. Es wird eine überlegene Saison, die am 11.04.2011 in Unterhaching mit dem Aufstieg in die 2. Liga gekrönt wird. Entsprechend emotional und feuchtfröhlich ist die Ballerbus-Rückfahrt.

Die weitere Entwicklung führt uns wieder nach Ingolstadt. Mittlerweile in ein neues Stadion. Die Saison 2012/13 ist auf der Zielgeraden und nach dem emotionalen Aufstieg 2011 in die 2. Liga stehen wir vor dem Aufstieg in die 1. Liga. Lieberknecht und Arnold haben mit Geduld, akribischer Arbeit und einem guten Blick für Talente eine Mannschaft geformt, in der jeder für den anderen brennt und rennt.

Wir kommen am 26.04.2013 recht früh an auf dem Parkplatz hinter der Gästekurve von Ingolstadt. Gelöste Stimmung, natürlich wissen alle um die Bedeutung des Tages, Zuversicht schlägt Anspannung. Der Tag ist nicht von der Hoffnung getragen, nein, hier und heute ist jeder überzeugt davon, dass wir Geschichte schreiben werden. „Heute ist unser Tag!“ Und es wird unser Tag!

Das Spiel gerade in der ersten Halbzeit eher Durchschnitt, in der zweiten Halbzeit jetzt auch nicht so überragend viele Chancen für unsere Jungs. Sie spielen auf unseren Block, der Support mittlerweile überragend, aber unsere Jungs tun sich weiterhin schwer. Sollte es heute doch nicht gelingen?

Und dann kommt die Nachspielzeit. Ein langer Ball, Foul an Merkel in zentraler Position, die Zeit bleibt stehen. Es ist die ideale Freistoßposition. Irgendwann steht die Mauer. Der Ball ist freigegeben, Dogan und Vrancic stehen bereit, Dogan läuft leicht an, wohl um etwas Verwirrung zu stiften, Vrancic hebt kurz den Kopf, läuft an, hebt den Ball über die Mauer und – so ist es immer, wenn der Ball unterwegs ins Tor ist – nach einer gefühlten Ewigkeit schlägt er oben links ein. Extase auf dem Platz, Extase auf den Rängen, Emotionen, Tränen.

Aufstieg in die 1. Bundesliga, es ist vor diesem Spieltag klar, dass wir diese Saison in die 1. Liga aufsteigen werden, Sensation genug, wie es aber in Ingolstadt gelingt, ist dermaßen dramatisch und emotional, das ist nicht zu übertreffen. Un-fass-bar. Eintracht ist nach 28 Jahren Abstinenz zurück in der 1.Liga. Damir Vrancic – Fußballgott und Aufstiegsheld.

Danke Damir! Danke Torsten! Danke Jungs!

Die Aufstiegsparty vor dem Schloß ist dementsprechend.

1990 komme ich zum Studium in die Löwenstadt. Drei Jahre 2.-Liga-Fußball, dann 1993 der bittere Abstieg in die 3. Liga. Jedes Jahr der erneute Versuch, der 3. Liga zu entfliehen, jedes Jahr ein erneutes Scheitern. 1994 ist in der Aufstiegsrunde Schluss, 1996-2000 entweder Zweiter oder Dritter, aber eben nie ganz vorne.

Die Beziehung zwischen dem NFV-Pokal und der Eintracht kann auch nicht als innig bezeichnet werden, gewonnen wird der Pokal lediglich 2004 und 2011. Immerhin wird das Stadion um- und ausgebaut, 1996 ist die Zeit der gesperrten Südkurve vorbei.

2001/02 der nächste Anlauf, kurz vor dem Start der Saison wird Daniel Teixeira verpflichtet, der Toptorjäger erzielt 19 Treffer und trägt so entscheidend zum Aufstieg bei. Aber der Weg bis dahin ist nichts für schwache Nerven. Ein 1:1 bei den Amateuren von Werder Bremen wird nachträglich 2:0 gewertet, Werder hat mit di Iorio einen der Profis eingesetzt. Vor dem finalen Spieltag Lübeck, Essen und Eintracht mit Chancen. Wattenscheid muss doch zu besiegen sein. 14 Tage vor dem Spiel sprechen wir über fast nichts anderes, die Spannung in der Stadt ist mit den Händen zu greifen, die Stadt fiebert dem Aufstieg entgegen.

Ein Meilenstein auf dem Wege ist definitiv das 3:2 in Düsseldorf am Flinger Broich. Ein kleines Stadion, proppevoll, nur ein Kontingent von 800 Karten für uns. Und dann steht es nach 14 Minuten 2:0 für Fortuna. Ein Alptraum. Will nur irgendwie keiner wahr haben im Gästeblock, es ist eine besondere Stimmung hier – unbewusst noch unterstützt von der Stadionregie: in Düsseldorf die Toten Hosen, na klar, aber „Steh auf, wenn du am Boden bist“ ist schon sehr speziell in der Situation. Ungewollte Motivation für uns Gäste, unser Motto für die 2. Halbzeit, überragender Support, Daniel Teixeira dreht das Spiel quasi im Alleingang, Aufstiegschancen gewahrt, ein Wahnsinnsspiel, unglaubliche Dramatik.

Dann der 18.05.2002. Kurz vor der Pause überschlagen sich die Ereignisse: 36. min 0:1 durch Altintop, Totenstille im ausverkauften Stadion, 38. min Verletzung Teixeira. Soll es wieder nichts werden mit dem Aufstieg? Neun Jahre 3. Liga müssen doch reichen. Die 40. Minute gibt die Hoffnungen zurück, Weetendorf, für Teixeira eingewechselt, gleicht aus.

Alle Chancen in der 2. Halbzeit bleiben ungenutzt, mittlerweile ist auch klar, dass nur ein Sieg den Aufstieg bringt, Essen führt in Münster, nur das verdammte Tor will nicht fallen. Es geht in die Nachspielzeit, eine letzte Flanke und endlich endlich endlich – der kleinste Mann auf dem Platz köpft uns zum Aufstieg. Thomas Piorunek Aufstiegsheld. Danach brechen alle Dämme. Wahnsinn nach neun Jahren in der 3. Liga.

Leider fehlt die Nachhaltigkeit, 2003 geht’s wieder runter. Ein neuer Anlauf 2005. Michael Krüger hat eine spannende Truppe beisammen. Auch dieses Jahr wird es erst am letzten Spieltag entschieden.

Zuvor wird der Pisstruppe von Paderborn die Aufstiegsfeier verdorben. Es ist brütend heiß im Löns-Stadion, aber eine hinreichende Versorgung mit Wasser vor Ort – Fehlanzeige. Paderborn zweifelt nicht an Sieg und Aufstieg, Arroganz und Größenwahn paaren sich, alles scheint bereitet, wir sollen brav die Punkte abliefern und Spalier stehen. Die Krönung ist Minusmensch Willi Herren. Aber unsere Truppe denkt nicht daran, mitzuspielen, gewinnt emotional 3:1 und hält die Aufstiegschancen am Leben. Kuru mit zwei Treffern hier wird später Torschützenkönig. Na klar.

Und so ist alles bereitet für das Finale am 04.06.2005. Gegen die II. Mannschaft von Arminia Bielefeld, die bereits abgestiegen ist. Die aber in der neunten Minute in Führung gehen, ein Riesenfehler von Stuckmann. Einfacher wird es nun nicht, wenngleich die Hoffnung in der 38. Minute neue Nahrung erhält. Ausgleich. Nur leider sechs Minuten später wieder vorbei, es geht mit 1:2 in die Pause. Nach der Pause wird auf die Südkurve gespielt, da muss doch was gehen. Graf wird zum entscheidenden Spieler. Zwei Mal erzielt er den Ausgleich, aber das 2:2 reicht halt noch nicht und so muss ein unwiderstehliches Dribbling die Entscheidung einleiten. Foul an Graf, Strafstoß und 3:2 durch Jürgen Rische. Irgendwie gehen die letzten 15 Minuten auch rum, dann geht es wieder in die 2. Liga.

Und hier noch paar ganz alte Bilder, ich war zu der Zeit ja noch nicht auf der Welt. Aber wenn man manchmal so Erzählungen lauscht zur Meisterschaft 1967 kann man den Eindruck bekommen, dass mindestens 100.000 am 3. Juni 1967 beim 4:1 gegen Nürnberg im Stadion waren und etliche auch noch deutlich jünger waren und sind. Das Wunder von Braunschweig sozusagen.

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