Next Stop Albania. In bewährter Vierercombo geht es für zehn Tage nach Albanien. Erster Stop ist Tirana Flughafen.
Ein paar Irritationen später sind wir in unserem Apartment direkt neben der Gerberbrücke (Ura e Tabakëve). Das Restaurant Mrizi i Zanave direkt unter dem Apt ist bestens, vor allem nahe. Okay, die Vorspeisenplatte hätte eigentlich schon fast gereicht so reichhaltig wie sie war, aber natürlich wollen wir ein Stück weit eintauchen in die regionale Küche. Es ist okay, wir werden aber noch bessere finden.
Leider nicht am nächsten Tag, obwohl es ganz vielversprechend bewertet und gelegen ist im Blloku-Viertel. Lebendig ist es, voller Kaffees und Restaurants und Geschäfte und war bis zum Fall des alten Regimes eine Tabuzone für Tiranas Volk, weil von den Bonzen bewohnt, allen voran Staatschef Enver Hoxha. Hatte seine Villa hier, gar nicht so protzig wie vielleicht erwartet und vor allem von der Architektur jetzt nicht komplett unspannend. Hier was zu Hoxha.
Für uns ist das Viertel eingebunden in einen Gang durch die Stadt. Zunächst zur Pyramide. Ursprünglich von Hoxhas Tochter entworfen als Enver-Hoxha-Museum, am 16. Oktober 1988 eröffnet. Nach dem Ende des Kommunismus recht schnell umfunktioniert: als Konferenz- und Ausstellungszentrum, für Büros usw. Irgendwann aber auch Leerstand und so stand sie halt da, paar Jugendliche kletterten drauf rum, das war’s. Bis 2021 eine fette Sanierung anfing, die der ursprünglichen Pyramide nicht nur ein Facelifting verpasste, sondern sie in ein neues Zeitalter katapultierte, neue Nutzung inklusive. Nun bestimmen unzählige strahlend weiße Treppen die Szenerie, scheinbar zufällig hineingewürfelte farbige Kuben durchbrechen das Bild und weisen auf die neue Bestimmung hin
- das Dach als Aussichtsplattform
- 34 bunte Boxen drumrum für Startups und andere potentielle Mieter
- sowie das Weiterbildungsprojekt „TUMO Tirana“
Spannend.
Anschließend Unigelände, wo nun das neue Stadion steht, eingebunden in das Mercure-Hotel. Vielleicht ist auch das Mercure-Hotel in das Stadion eingebunden. Egal. Danach durch besagtes Blloku-Viertel hinüber zum Skanderbeg-Platz auf ein Bier und verspätetes Mittagessen.
Der zentrale Ort, zur einen Seite mediterran anmutende Gebäude mit verschiedenen Ministerien, zur anderen Seite das Nationalmuseum mit wunderschönem Mosaik. Dann noch als dominierende Flanke der Kulturpalast mit Nationaltheater, Ballett und Oper. Und mittendrin Nationalheld Skanderbeg auf seinem Pferd. Zu Skanderbeg später mehr. Vor sieben Jahren kreiselten hier noch die Autos um den Platz, mittlerweile ist er umgebaut und der Verkehr führt nicht mehr über den Platz, was ihm einiges von seiner ursprünglichen Lebendigkeit nimmt. Ihn vielleicht aber auch sicherer macht.
Insgesamt ist Tirana moderner geworden seit meinem Besuch 2016, aber das war erwartbar, der Aufbruch, der Wille nach Veränderung war deutlich. (hier der komoot-Mitschnitt von unserem Gang durch die Stadt).
2011 noch gut 400.000 Einwohner, heute knapp 900.000. Wahrscheinlich schon zur Römerzeit bewohnt, unter dem heutigen Namen 1372 das erste Mal erwähnt.
Nach zwei Nächten Tirana holen wir unseren Mietwagen und starten unsere Rundreise, als erstes geht es nach Korça. Geländegängigkeit scheint uns angemessen bei der Auswahl, Albanien ist zwar kein touristisches Entwicklungsland mehr, aber die Straßen sind wohl hier und da, nach wie vor oder zuweilen, regional unterschiedlich, je nach fahrbarem Untersatz, herausfordernd. Also wie Deutschland in zehn Jahren.
Korça also. Oder Korçe. Oder Korçë. Wie bei Tirana oder Tirane oder Tiranë gibt es verschiedene Schreibweisen und man fragt sich warum. Amiras Reiseführer sorgt für Aufklärung: es gibt regionale Dialekte, die für unterschiedliche Endungen sorgen. Was auch an den albanischen, griechischen, mazedonischen, türkischen Einflüssen liegt.
Die Historie von Albanien hier auszuwalzen, würde schon arg weit führen, dazu ist die Geschichte zu vielschichtig, hier ist ein guter Überblick.
Zwei Stunden dauert die Fahrt ohne Pause. Sagt das Navi. Schnell wird klar – und wird sich in den folgenden Tagen immer wieder bestätigen –, dass jeweils deutlich mehr Zeit zu veranschlagen ist. Es ist gar nicht so sehr der Zustand der Straßen, der ist okay, es ist bergig und kurvenreich und damit ist zügiges Vorankommen jetzt kein Thema. Aber egal, wir haben Urlaub.
Zwischenstopp am Ohridsee. Doch wo? Das werden wir vor Ort sehen. Albanien und Nordmazedonien teilen sich den Ohridsee, er liegt am östlichen Rand Albaniens, leicht zu erreichen. Wiki sagt:
Der Ohridsee zählt zu den ältesten Seen der Welt. Er ist der älteste bekannte noch existierende See Europas. Sein Alter wurde früher auf zwei bis fünf Millionen Jahre geschätzt; das Vorkommen endemischer Arten ließ auf eine Entstehung im Pleistozän oder noch davor schließen. Molekularbiologische Untersuchungen, deren Ergebnisse 2021 veröffentlicht wurden, belegen inzwischen ein Alter von 1,36 Millionen Jahren. Der See entstand durch einen Grabenbruch. Die auch heute auftretenden tektonischen Aktivitäten bedingen wahrscheinlich auch die Existenz eines etwa 100 Meter hohen subaquatischen Berges. Quelle
Kurzer Fotostopp oberhalb des Sees, schon da zeigt er sein Potential. Und ohne dass wir es in dem Moment wissen, schauen wir auf unseren näxten Stopp, auf den Punkt, an dem wir etwas länger verweilen werden. Wir genießen zunächst nur das Panorama und machen uns da erst mal keine Gedanken drum.
Zwei drei Kurven weiter biegen wir spontan ab runter zum See, beste Entscheidung, der kleine Ort Lin mit dem kleinen Restaurant Leza über dem Ohridsee entpuppt sich als Volltreffer. Wenn ich den idealen Übernachtungsort am Ohridsee hätte benennen sollen, es wäre genau dieser. Die Terrasse über dem ruhig und in sich ruhenden See ist der ideale Ort für Frühstück, Mittag und Abendessen. Wir genießen die Zeit und das Essen. Und die ruhige Stimmung am See.
Kätzchen versuchen sich einzuschmeicheln in der Hoffnung auf einen Bissen von uns, Schwäne gleiten majestätisch dahin, Blässhühner und Kolbenenten tauchen hier und da nach Fischen, irgendwann fährt ein Boot raus auf der Suche nach dem nächsten Fang. Das Leben kann so schön sein.
Lin sollte man sich merken, hier gibt’s verschiedene Unterkünfte. Und ne ganze Menge zu entdecken.
Übernachtung hatten wir uns für Korçë in einer ehemaligen Karawanserei überlegt. Spannendes Teil, gelegen mitten in der Altstadt, die sich im Wesentlichen als ein größerer Markt mit vielen Restaurants entpuppt. In den Gassen darum sind die Unterkünfte. Pittoresk und zauberhaft aufgewertet durch die kleinen Kätzchen hier.
Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg nach Gjirokastra (Gjirokastër), Zwischenstop am Shelegur See. Der ist zwar im Vergleich relativ klein, aber eine Übernachtung hätte wohl auch er verdient, nette Gegend, hier lässt sich wohl auch ganz gut wandern.
Kurz danach, in Leskovik um genau zu sein, schickt uns das Navi rechts weg auf eine der alten Straßen, die SH 75. Das Auto hat 150.000 km auf dem Buckel, genauso alt ist das Navi, die Updates haben den Neubau der SH 65 links weg offensichtlich nicht mitgeschnitten. Es wird eine schräge, herausfordernde und nachhaltige Erfahrung. Den Abhang rechts immer im Blick hüpfen wir von Schlagloch zu Schlagloch, wenn wir mal 30 km/h fahren, dann darf das auf diesem Abschnitt als Hochgeschwindigkeit gelten.
Eine coole Strecke, irgendwann auch ein fotogener Wasserfall als Fotostopp. Und dennoch sind wir froh, nach ner knappen Stunde die lediglich so knapp 25 Kilometer hinter uns lassen zu können, um auf eine deutlich entspanntere SH 75 einzubiegen. Die Straße ist fortan angenehmer, selbstverständlich. Jetzt könnte man fragen, warum wir nicht einfach Maps genommen haben, hat sich ja schließlich durchgesetzt als Navigationsmittel. Ganz einfach, Albanien hat zwar ein überragendes Netz, gehört aber nicht zur EU und somit müssten wir zahlen für online. Muss hier ja nicht, macht ja auch so Spaß.
Wir fahren entlang des Lunxhëria (auch Mali i Lunxhërise), wir müssen ihn umkurven, aber genau das macht ja diesen Reiz aus. Der Lunxhëria ist ein Bergzug in der Gemeinde Gjirokastër im Süden Albaniens und Teil der Shëndelli-Lunxhëri-Bureto-Bergkette, die sich in Nordwest-Südost-Ausrichtung erstreckt. Der höchste Punkt ist bei 2.155 m (Maja e Lalucit), mal eben drüber is nich, der steht uns auf dem Weg von Korçë nach Gjirokastër mächtig im Wege.
Aber wir haben ja den Vjosa, an dem wir nun entlangfahren. Der Vjosa ist übrigens die nördliche Begrenzung des Bergzuges. Wichtiger aber ist, dass der Vjosa einer der wenigen größeren naturbelassenen Flüsse Europas ist. Nach jahrelangem Kampf wird am 15. März 2023 der gesamte albanische Vjosa zum Nationalpark erklärt.
Damit bleibt zu hoffen, dass seine Ursprünglichkeit erhalten und er von dichter Besiedlung und Industrieprojekten verschont bleibt. In den Jahren 2008ff. stand es Spitz auf Knopf, bei Tepelena sollte ein Staudamm errichtet werden. Die Proteste sind laut, die Proteste bleiben laut und vor allem hartnäckig. Im Mai 2021 wird das Staudammprojekt endgültig eingestellt.
Zum Vjosa gibt es noch einiges zu lesen, hier sind paar Links: balkanrivers.net – Spiegel – Abenteuer Albanien – Wiki
Anschließend weiter – immer entlang des Vjosa. Auf der letzten Rille sozusagen rechts weg nach Benjë (Benje, Bënjë). Das Licht hat bereits beschlossen, recht bald knapp zu werden und die Sonne fällt hier recht schnell vom Himmel, wir müssen uns also beeilen.
Wir sind rechtzeitig da. Zum Glück, denn Benjë ist ein so pittoreskes Tal, das wäre sofort auf der Liste für eine Wohnmobiltour. Hier anhalten und übernachten, das wär‘s. Wanderrouten gibt’s ne ganze Menge, vor allem aber die bezaubernde Brücke Ura e Kadiut, die sich in ein feines Panorama einfügt. Fotogen von allen Seiten. Nebendran ist die Thermalquelle Llixhat e Bënjës mit feinem Blick über das Tal. Ein hinreißender Ort, vor allem wohltuend wenig frequentiert.
Bei aller Faszination – wir müssen weiter, wir haben noch paar Kilometer nach Gjirokastër. Mittlerweile ist es finster. Beständige Kurven, totale Dunkelheit, völlig unbekanntes Gelände, ab und an meinen wir, den wilden Vjosa tief unter uns zu hören, zu riechen, zu spüren – die Konzentration läuft auf Hochtouren.
Aber wir erreichen Gjirokastër zu einer immer noch guten Zeit und werden im Patio mit einer Freundlichkeit und Wärme empfangen, die sämtliche unebenen Wege des Tages hinwegweht und die Vorfreude auf die Tage hier einziehen lässt.
Zunächst wollen wir lediglich unsere Zimmer beziehen und dann was essen, wir finden einen Italiener. Ist so Durchschnitt, vor allem aber hat das Berg-hoch-runter-hoch-runter zunächst mal ein Ende. Dass Armin anschließend die Jungs in der gegenüberliegenden Pinte dazu überreden kann, auf CL mit BVB gegen Newcastle umzustellen, ist grandios wie kurios. Dass es eine verquanzte Raucherkneipe ist, in die wir uns dafür setzen müssen, gibt Abzüge.
Zu dem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, wie wir nach Hause kommen. Der Fußweg ist lang und bergig. Taxi? Kurze Frage an den Chef – zwei Minuten später steht er mit seinem Auto da. Fein. Eine wilde Fahrt beginnt und spätestens, als er den Kreisverkehr links schneidet, ist klar, dass unser Fahrer nicht nur vogelwild, sondern auch stockbesoffen unterwegs ist.
Das Frühstück können wir draußen genießen und haben coole Panoramen. Es ist Ende Oktober, da genießen wir ein Frühstück auf der schicken Terrasse des Patio natürlich umso mehr. Anschließend steht Gjirokastër, eine der ältesten Städte Albaniens mit gut 19.000 EW, auf dem Plan. Recht schnell fallen die grauen Steindächer auf.
Den Beinamen „Stadt der Steine“ verdankt Gjirokastra seinem einzigartigen Stadtbild. Markante, kleinen Trutzburgen ähnelnde Häuser prägen seit Jahrhunderten die Viertel um die Burg, die heutige Altstadt. Bedeckt mit Steinplatten aus den nahen Gebirgen dienten die Dächer früher dazu, die Innentemperatur der Häuser zu regulieren. Dies war für das Leben in dieser klimatisch kontinental geprägten Landschaft sehr von Vorteil. So blieben im Sommer die Häuser recht kühl, während im Winter große Kälte verhindert werden konnte. Ein anderer Grund für das Benutzen von Steinmaterial für die Dächer war, dass andere Materialien wie Ziegel viel teurer waren und Stein in der Umgebung reichlich vorhanden war. Weiße Außenfassaden, hohe Holzfenster sowie viele kleine Innenhöfe mit riesigen hölzernen Hoftoren charakterisieren weiters das Altstadtbild. Entlang der steilen Hänge führen enge, kunstvoll gepflasterte Gassen, die die verschiedenen Viertel untereinander verbinden und im 18. Jahrhundert angelegt wurden. Quelle
Die werden wir später vom Castle (Kalaja e Gjirokastrës) aus noch viel deutlicher im Panorama-Blick haben. Bis dahin gilt es aber, die eine oder andere Steigung mitzunehmen, Gjirokastër ist pittoresk und definitiv ein Highlight für jede Albanien-Tour, liegt aber auch am Fuße der Berge und dementsprechend ist die Topographie.
Mittlerweile haben wir das Castle erreicht, ein langgezogenes Castle mit vielen spannenden Ecken. Und sensationellen Panoramen. Sehr sehr cool hier oben. Die 500 Meter Ausdehnung reichen zwar nicht an die Burg in Burghausen ran, wie wir kurzzeitig vermuten, so viel zur menschlichen Fähigkeit, Entfernungen oder Längen einschätzen zu können, aber das ist für den Eindruck von diesem Castle völlig egal. Ein Riesending.
Eine erste Burg wird wohl so im 12. oder 13. Jahrhundert gebaut. Die Osmanen erweitern sie sukzessive. Bis sie im 19. Jahrhundert wesentlich von Ali Pascha umgebaut und erweitert wird – sie erhält ihr heutiges Aussehen. Gleichzeitig sorgt er für die Wasserversorgung der Burg. Es heißt, dass die gesamte Bevölkerung von Gjirokastër im II. WK in der Burg Schutz fand.
Anschließend trennen sich unsere Wege zunächst, ich hab die Ali-Pascha-Bridge im Auge, der Rest der Gruppe den Basar. Eine kleine feine Wanderung führt mich durch die engen Gassen schnell raus aus dem kleinen Städtchen zu einer Schlucht, die sich gerade im Frühjahr vermutlich ganz anders darstellen wird. Aktuell kann man sie auf seinen Wanderwegen locker kreuzen und irgendwann der Ali-Pasha-Brigde auch sehr nahe kommen für die Fotos. Ich hätte auch hochklettern und auf der Brücke rumturnen können, fand ich aber uninteressant, ich wollte ja die Brücke sehen.
Die Ali Pascha-Brücke war Teil eines größeren Aquäduktkomplexes, der Anfang des 19. Jahrhunderts von Ali Pashë Tepelena in Auftrag gegeben wurde. Die Aquädukte versorgten die Zisternen der Burg mit Wasser aus den benachbarten Bergen. Gjiros Wasserversorgung war zu der Zeit wohl unzureichend, zumindest die die der Burg. Das Aquädukt wurde 1932 größtenteils abgerissen, aber die Brücke blieb stehen. (komoot)
Auf dem Weg zurück lande ich dann auch noch auf dem Basar und treffe Amira und Eva wieder und in der ganzen Euphorie kaufen wir beim besten Konditor am Platze lauter coole Sachen.
Um dann beim Kaffee an unserer Unterkunft festzustellen, dass es erstens deutlich zu viel und zweitens gar nicht so lecker, eher übertrieben künstlich-süß ist. Ich versuche mich dran, schließlich war ich ja auch die treibende Kraft beim Kauf, aber irgendwann komme ich halt auch nicht mehr mit meinem guten Willen weiter. Ich hab ja nicht mal Zucker daheim und das hier ist schon extrem zuckerlastig. Es ist schwierig.
Für die Suche nach dem richtigen Restaurant nehmen wir uns am Abend deutlich mehr Zeit und landen schließlich in der Altstadt ganz in der Nähe des Basars im Kujtimi. Beste Bewertungen, die ich vollumfänglich unterstütze, das Essen weiß zu überzeugen. Zudem überzeugen die Lage und Besitzer.
Und die neugierigen und hungrigen Katzen verzaubern uns – also zumindest Eva und mich.
Beim Absacker auf dem Balkon haben wir feinstes Wetterleuchten vor unseren Augen. Der Lunxhëria-Gebirgszug ist paar Kilometer weg, aber da tobt ein fettes Gewitter, was immer wieder den Horizont erhellt, grandioses Schauspiel. Faszination, Ehrfurcht, Staunen wechseln sich ab.
Ein weiteres grandioses Frühstück im Patio, heute zwar nicht draußen, es ist etwas ungemütlich, aber die Chefin lässt genau dies in den Hintergrund treten. Sich im Patio nicht wohlzufühlen, ist geradezu unmöglich.
Wir starten gen Süden und erreichen zunächst das Blue Eye (Syri i Kaltër). Bissel Bewegung, die gut tut, denn das Blue Eye ist bissel vom Parkplatz entfernt.
Karstfels und tief gelegenes Quellwasser treffen aufeinander. 50 Meter tief ist die Quelle mindestens, wahrscheinlich noch tiefer und das ist verantwortlich für dieses leuchtende türkis- und azurblaue Wasser, wahrscheinlich zusätzlich auch der Druck, mit dem das Wasser nach oben gedrückt wird. Heller Kalkstein, üppiges Grün und strahlender Sonnenschein bilden den entsprechenden Kontrast.
Und für das idyllische, herzerwärmende Abschlussbild sorgen Katzenmama und ihr kleines Kätzchen.
Näxtes Ziel Ksamil. Ksamil ist von so herzzerreißender Trostlosigkeit, dass wir – fast aus Mitleid mit dem einzigen geöffneten Café – einen Capu oder was auch immer trinken. Nachdem wir halbherzig am Strand herumgelaufen sind und nicht mal die Energie entwickelt haben, kurz ins Wasser zu gehen. So ist es in der Nachsaison. Vlt. auch unterstützt durch die fehlende Sonne, aber wahrscheinlich wäre es auch mit Sonne nicht besser geworden. In der Saison möchte zumindest ich diesen Teil nicht sehen mit seinen von den umliegenden Hotels überfüllten Stränden und Booten, die darum buhlen, endlich jmd. zu den kleinen Nachbarinseln fahren zu können, unterlegt von billigen Balkan Beats. Heuer ist nur einer da, der sich denn auch bald trollt.
Also weiter nach Butrint zum archäologischen Park, 1992 zum UNESCO Welterbe erklärt. Beeindruckender archäologischer Park mit diversen Bauten und wechselvoller Geschichte. Griechen, Römer, Byzantiner, Normannen und noch mehr waren hier und haben ihre Spuren hinterlassen. Heute ist es eine Halbinsel mit perfekter Lage an einer Lagune, viel Wald und viel der alten Steine. Sehr schön. Allerdings auch mit einer massiven Enttäuschung, denn die Mosaikböden des Bapisteriums, mit denen ja immer noch geworben wird, sind nicht zu sehen, einzig eine kleine Ecke in der Basilika ist erhalten.
Und auch hier sind die kleinen Kätzchen ein ganz großes Thema, in die kleine schwarze hab ich mich sofort verliebt und ihr war meine Nähe sichtbar angenehmer als die von hektischen Kleinkindern. Wobei ich das den Kindern gar nicht zum Vorwurf machen will, ich wäre sicherlich genauso unterwegs gewesen, um die niedliche Katze zu streicheln, nur das Kätzchen fand es halt nich so dolle. Zu meinem Glück.
Nebenbei beobachte ich die Fähre, die eine Weiterfahrt ins südlichste Albanien ermöglicht.
Am näxten Tag ist es wie immer im Urlaub: man muss irgendwann zu früh Abschied nehmen von einem liebgewonnenen Ort, von einer liebgewonnenen Unterkunft, von einer liebgewonnenen Vermieterfamilie. Oft weiß man ja vorher denn doch nicht so ganz genau, was einen vor Ort erwartet. Und wenn sämtliche Erwartungen bei weitem übertroffen werden, dann lag die Wahl wohl nicht allzu daneben, top ausgewählt Eva.
Wir haben den Weg nach Vlorë vor uns. Auch hier wieder: Vlora – Vlore – Vlorë?
Gestern und vorgestern haben wir die Bunker in der Nähe von Goricë und Frashtan nicht geschafft, irgendwas ist ja immer, mal ist es dunkel, mal regnet es. Heute ist dann unsere Chance. Es ist ein kleines Bunkerfeld, welches wir da auf einmal vor uns haben, ein Feld von diesen kleinen Bunkern, oft Ein-Mann-Bunker. Jetzt bin ich sicherlich nicht bekannt dafür, mich für solchen militärischen Scheiß groß begeistern zu können, warum also hier?
Ganz einfach, weil diese Bunker so anachronistisch und doch auch so sinnbildlich sind für das Albanien der Hoxha-Zeit. Nicht zuletzt Enver Hoxha hatte versucht, Albanien komplett abzuschirmen gegen äußere Einflüsse. Letztlich war ihm auch der Russe suspekt. Und in der Tat ist Albanien ja irgendwie jahrelang quasi von der Bildfläche verschwunden, unter dem Radar geblieben. Hoxhas Angst war immer die Angst vor äußerer Bedrohung, vor militärischer Bedrohung, vor was auch immer. Ob er nur politisch paranoid war oder auch in seiner Persönlichkeit? Wahrscheinlich ein spannendes Forschungsprojekt.
Wie auch immer: die Angst vor Angriffen aus dem Ausland trieb ihn vor sich her. Und so sollten 750.000 dieser Bunker aufgestellt werden an strategisch wichtigen Punkten. 200.000 sind es geworden, wie viele heute noch stehen, vermag wohl keiner so genau zu sagen. Die Idee hinter den Bunkern war, die Taktik des Partisanenkampfes aus dem zweiten Weltkrieg zu adaptieren. Erbaut in Bergen, entlang der Grenzen, der Meeresküste, an strategischen Punkten wie Pässen oder Brücken. Wer weiß, was die Dinger im Falle des Falles gebracht hätten. Was sie auf jeden Fall bewirkt haben ist, dass die ohnehin schon schwache Wirtschaft überfordert, ja fast ruiniert wurde.
Viele Albaner wollen sie einfach weghaben, was ich sehr gut verstehen kann, denn auf die Erinnerungspunkte kann man sicherlich gern verzichten und ästhetisch sind die Betonklumpen nun einfach mal katastrophal und schwer ins heutige Albanien zu integrieren. Wobei es an der einen oder anderen Stelle gelingt.
Wir fahren weiter auf der SH 8, coole Straße, fast die ganze Zeit an der Albanischen Adria entlang. Zwischenstopp in Himare zum Baden ist so semi, Strand und Ort wissen nicht wirklich zu überzeugen, also geht’s auch recht fix weiter. Hinauf zum Llogara-Pass auf 1.027 Metern. Klingt jetzt zwar nicht so wahnsinnig hoch, aber wir kommen in kürzester Zeit vom Meeresspiegel hoch, das macht dann schon Eindruck. Wir haben hier oben einen grandiosen Blick über die Albanische Riviera.
Weiter also nach Vlorë. Hier hätten wir nochmal die Nähe zum wilden Vjosa, Parku kombater Apollonia, Laguna e Nartës. Und, für die Fahrt zum Flughafen nicht ganz unwichtig, ausgebaute Strecke. Aber zunächst kommt alles ganz anders: die ursprünglich gebuchte Unterkunft wird storniert. Total geil sowas zwei Tage vor der Anreise. Wir brauchen also Alternativen und so werden aus drei Nächten Vlorë nun derer zwei und eine letzte Nacht in Krujë.
Bis wir dann die Unterkunft gefunden und die Schlüssel in der Hand halten vergeht einige Zeit, aber dann stehen wir in einem Traum von Apt. Allein der Riesenbalkon ist der Hammer, dazu der Panoramablick vom Allerfeinsten. Luxus.
Vlorë selbst kann da nicht ganz so mithalten, sehr viel Strandpromenade, sehr viel davon zugebaut, aber sowas hab ich auch schon schlechter erlebt.
Wir fahren zur Laguna e Nartës mit dem Kloster der Heiligen Maria auf der Insel Zvernec. Das Kloster ist ein hübsches kleines Ding. Mehr ist aber außer ein paar Enten, Reihern und Fischen nicht los, schade. Ganz weit in der Ferne mögen Flamingos gewesen sein, aber da sind wir uns nicht sicher.
Wir schließen eine kleine Wanderung v.a. durch die Olivenwälder an, immer auch mit Blickkontakt zur Lagune. Schön wird’s immer dann, wenn die Olivenbäume Schatten spenden, also zumindest für mich. Es ist Ende Oktober und wir haben immer noch eine Sonnenintensität, die ich zwar mag und genieße, nur halt nicht, wenn ich direkter Sonne ausgesetzt bin.
Anschließend fahren wir noch ein Stück weiter zum Plazhi i Vjetër. Freuen uns schon auf‘s Baden und werden dann jäh gestoppt von einem Schild, welches genau das untersagt wegen gefährlicher Unterströmungen. Immerhin gelingt ein Gruppenbild.
Die Abfahrt verzögert sich dann etwas, wir teilen uns den Weg mit einer Ziegenherde. Uns scheint, dass in Albanien noch sehr viele Ziegen- und Schafhirten unterwegs sind mit relativ kleinen Herden, scheint also alles immer noch eher kleinteilig zu sein und weniger Massentierhaltung. Was ich sehr angenehm finde. Ob aber so alle ihr Auskommen haben? Ich wage es zu bezweifeln. Manchmal ein Hirte mit einer Kuh, manchmal mehr.
Und gerade um und in Vlorë fällt uns das soziale Gefälle sehr deutlich auf: in der City am Strand die Promenade mit Hotels und Penthäusern, dann bissel weiter weg im Hinterland sozusagen die einfache „Platte“ und Häuser, in denen das Wohnen sicher immer noch einen gewissen Lebensstandard ermöglicht, gegenüber dann ziemlich fertige Häuser und noch weiter Industrieruinen, in denen offensichtlich auch Leute wohnen. Wohnen müssen. Wir dürfen uns unseren privilegierten Status auch gern ab und zu bewußt machen.
Wir sind am vorletzten Urlabustag angekommen und an diesem verlassen wir Vlorë, um für eine Übernachtung weiterzuziehen nach Krujë. Krujë ist Skanderbeg – Skanderbeg ist Krujë. Und Krujë ist das historische Herz Albaniens.
Unsere Unterkunft ist in der Burg, wir kommen noch rechtzeitig an, um die Burg im Sonnenuntergang zu erleben. Wunderschön. Später der Basar ebenfalls ein Träumchen und die Zeit zwischen Ankunft, Einchecken, Sonnenuntergang und Essen hier oben in der Burg vertreiben uns die hinreißenden Mietzekätzchen, die hier oben ein ganz passables Leben zu haben scheinen. Es ist mir schlicht unmöglich, mich von diesen bezaubernden Geschöpfen loszureißen.
Nun denn, irgendwann will dann aber doch der Sonnenuntergang seine Aufmerksamkeit und den bekommt er auch.
Genauso wie am nächsten Tag nach dem Frühstück noch Zeit für das Skanderbeg-Museum ist. Und hier sind dann paar Infos zum Nationalheld Skanderbeg (albanisch Skënderbeu) angebracht.
Das Museum, ein Neubau von 1982, Architektin übrigens die Tochter von Enver Hoxha, widmet sich vollumfänglich Skanderbeg und ist nicht unwesentlich eingebunden in die Verbreitung des Mythos von Skanderbeg. Aber sie ist auf historischem Grund, der Skanderbeg lange als Sitz dient. 1450, 1466 und 1467 versuchen die Osmanen vergeblich, sie einzunehmen. Die Festung trägt also dazu bei, dass Skanderbeg diese Region Albaniens für mehr als zwei Jahrzehnte vor den Osmanen schützen kann.
1405-1468 lebt Georg Kastriota, genannt Skanderbeg. Ein Vierteljahrhundert lang führt er einen erfolgreichen Guerillakrieg gegen die Osmanen. Vor allem mit Bauern und Hirten. Bereits zu Lebzeiten wird er mit keinem geringeren als Alexander verglichen.
Aufgewachsen als Sohn eines albanischen Kleinadeligen in einer Zeit, in der die Osmanen auf dem Balkan immer weiter vordringen. Auch Albanien wird ab 1385 schrittweise unterworfen. Zunächst als Geisel am Sultanshof macht er recht schnell Karriere – bei den Osmanen. Die Türken geben ihm den bedeutungsvollen Namen Skanderbeg, im weitesten Sinne übersetzt „Oberst/Herr Alexander“, die Osmanen stellen ihn so in die Nachfolge von Alexander dem Großen. Als Offizier kämpft er für den Sultan in Kleinasien und Serbien.
Doch 1437 wird sein Vater auf Befehl von Sultan Murad II. getötet – Skanderbeg sinnt auf Rache.
Sechs Jahre später ergibt sich die Gelegenheit. Skanderbeg reitet mit einigen Getreuen zu der mittelalbanischen Burg Krujë, zeigt der osmanischen Besatzung ein vermeintliches Edikt des Sultans, in welchem er als der neue Befehlshaber benannt sei, und kommt ungehindert in die Burg. Nachts folgen Mitverschwörer – die überrumpelten Osmanen werden massakriertet. Klingt bissel nach dem Trojanischen Pferd, ist aber wohl überliefert.
Unmittelbar danach ruft Skanderbeg die Region zum Widerstand auf – Krujë wird Zentrum des Widerstands. Er ist der erste, der die albanischen Stämme eint.
Wollen sich die Osmanen natürlich nicht gefallen lassen, fortan werden immer wieder im Frühjahr Truppen gen Albanien geschickt. Und fortan ziehen sich die Aufständischen jedesmal aus den Ebenen in das zerklüftete Bergland zurück.
Von hier aus attackieren Skanderbeg und seine Krieger die Lager und Nachschubkarawanen der Osmanen. Mit Pfeil und Bogen bewaffnete Bauern und Hirten stürmen nachts aus den Bergen und Wäldern hervor und fallen über die überlegenen, aber schwerfälligen osmanischen Panzerreiter her. Im Sommer gehen den Invasoren die Nahrungsmittel aus, sie müssen sich zurückziehen und die Albaner kehren wieder in die Ebenen zurück. Der perfekte Guerillakrieg.
1450 versucht sich Sultan Murad II., bis dahin unbesiegt, an der Mission Skanderbeg. Sechs Monate lang belagern 100.000 Osmanen Krujë – vergeblich, Skanderbeg wankt nicht, auch mit Unterstützung von französischen Kreuzrittern und deutschen Büchsenschützen. Kein Wunder, dass er mehr und mehr überhöht wird. Ein charismatischer Redner und Kämpfer, muskulös, mutig, stark, groß – quasi unbesiegbar. Einer, der die Stämme einigen kann. Seinem Schwert werden magische Kräfte zugeschrieben, angeblich könne es jeden Panzer, jeden Helm, jede Rüstung zerschmettern. Das Artus-Phänomen.
Aber auch ein Held muss sterben. Nach 25 Jahren rastloser Kämpfe stirbt Skanderbeg 63jährig im Januar 1468. Ironie der Geschichte: erst zehn Jahre später erobern die Osmanen Krujë.
Bis 1912. Dann gelingt es Albanien, sich von der osmanischen Herrschaft zu befreien. Ende des 19. Jhdts ist die Erosion des Osmanischen Reiches nicht mehr aufzuhalten, schließlich ruft die Führung der albanischen Nationalbewegung am 28. November 1912 in Vlorë die Republik Albanien aus. Und da kommen wir ja nun gerade her.
Hier noch einiges zu Skanderbeg, der – wen wunderts – auch in verschiedenen Büchern weiterlebt: Welt – Podcast – Wiki
Oliver Jens Schmitt: Skanderbeg – Der neue Alexander auf dem Balkan
Robert Menasse: Die Erweiterung
Anschließend geht der Flug, der nochmal seine eigene Choreografie hat mit Umstiegen und so.