FLANDERN – Oktober : 1997

Dieses Jahr zieht’s den Historikerstammtisch nach Flandern; Zentralziel und Unterkunft für die nächsten Tage in Brügge, mittelalterliche Hansestadt in hinreißendem Sonnenschein für die nächsten Tage. Wieder ist es unser busfahrender Kommilitone Karim, der die interessierte Historikerschar durch Deutschland ins Land der Fritten steuert. Auch noch so alberne Albernheiten bringen ihn nicht aus der Ruhe.

Selbst als beim Kurven durch Brüssel ein sichtlich panischer Herr Schildt den Termin an der dortigen Uni gefährdet sieht, bleibt er die Ruhe selbst. Die Punktlandung gibt ihm schließlich Recht. Dort gab’s Sachen zum Nationalitäten- und Sprachenproblem zwischen Wallonen und Flamen zu hören. Abgerundet wird Brüssel von der Innenstadt und Männeken Piss.

Zurück zu Brügge. Eine bessere Wahl kann nicht getroffen werden. Was die Stadt zu bieten hat, ist herausragend. Karim und ich überzeugen uns davon am Nachmittag der Ankunft, indem wir uns erfolgreich absentieren, um uns in einem der vielen Restaurants auf dem Marktplatz ein Bier zu genehmigen. Der Hauptteil der Gruppe erkundet indessen einen Teil von Brügge, den wir in den nächsten Tagen eh noch mehrmals zu sehen bekommen und schauen in irgendein Museum, welches uns nun irgendwie gar nicht zu reizen vermochte☺. An einem anderen Tag sieht das dann anders aus. Grote Markt, Belfried, Beginenhof, Sint-Salvator-Kathedrale und Kanal belegen nachhaltig eine hinreißend schöne Stadt.

Highlight ist mit Sicherheit nicht die Heilig-Blut-Kapelle, aber sie wird zumindest Thomas nachhaltig in Erinnerung bleiben. Und das nur, weil Katharina und ich die ausgestellte Phiole eher beäugen wie ein x-beliebiges Ausstellungsstück im Museum. Woher soll ich auch wissen, dass man der Phiole die entsprechende Ehrerbietung zukommen lässt, indem man sie küsst? Als Ungetaufter? Wie auch immer, der Vikar schaute uns reichlich irritiert hinterher und Thomas war entsetzt.

Als im Wesentlichen unspektakulär habe ich Antwerpen in Erinnerung. Großer Marktplatz, schöne Kathedrale, belgische Pommes zum Mittag. Was vergessen? Ich weiß nicht.

Aber es ist ja noch Gent. Im Nachhinein muss man den Abstecher nach Gent als hitverdächtig beschreiben. Während wir allerdings dort im Regen rumlaufen und uns immer wieder in irgendwelchen Hauseingängen rumdrücken, um dem Dauerregen wenigstens für Momente zu entgehen, kann das wohl keiner so sehen. Und auch während wir vor dem berühmten Genter Altar in der Kathedrale St. Bavo stehen, will nur schwer Begeisterung aufkommen. Kunsthistorisch ist er zweifelsohne von hoher Bedeutung und schön anzusehen ist er ebenfalls. Ein kunsthistorischer Vortrag mit jedem auch noch so kleinem historischen Detail von über einer Stunde ist hingegen schon grenzwertig. Nun gut, irgendwann ist das auch überstanden und mittlerweile kommt schon bei der Erwähnung der Stadt Heiterkeit auf. Positiv traumatisiert. Glück gehabt.

Was man übrigens auch mit Abstrichen auf Waterloo beziehen kann. Erwartungsgemäß hohe Informationsdichte von unserem ausgewiesenen Experten für Militärgeschichte Lothar. Einigen Vertreterinnen der weiblichen Fraktion will das gar nicht gefallen, was weniger an Lothar liegt, sondern mehr am fehlenden Zugang zur Militärgeschichte.

Sei’s drum, hier gibt’s spannende Europageschichte auf freiem Feld, untermalt von schier unerschöpflichem, aber eben nicht nervtötenden (siehe Genter Altar) Detailwissen, abgerundet von einem internen Napoleon Look-A-Like Contest.

Aber auch diese kultige Stammtischexkursion geht zu Ende und führt uns am Tag der Rückfahrt über ich hab’s vergessen… Es geht damit direkt hinein in die Industrieregion um Lüttich und siehe da, das zu besuchende Industriemuseum präsentiert sich als ein Industrie-Sozial-Komplex nach englischem Vorbild. Manchester-Kapitalismus ist wohl das Wort, was hier erwartet wird. Standardisierte Wohnungen, einheitliche Wohnkomplexe, überschaubarer Komfort, aber winzige Grünflächen am Haus; Fabrikkomplex mit aufeinander abgestimmten Arbeits- und Sozialgebäuden. Haben wir das also auch.

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