ISTANBUL – März : 1997

Der Versuch, in Cloppenburg/Stapelfeld in achtwöchiger Kasernierung mein Latein nachzuholen, welches ich für den Studienabschluss in Neuerer (!) Geschichte brauche, scheitert. So oder so bin ich nach diesen acht Wochen Latein im Dauerfeuer urlaubsreif. Istanbul kommt da gerade recht und ist zur zusätzlichen Freude auch noch frühlingshaft warm und sonnig.

Mein Hotel ist unweit des Bosporus-Ufers am Goldenen Horn und um Müdigkeit und Lethargie infolge von Flughafenwartereien und Flug aus den Beinen zu schütteln, starte ich einen Spaziergang eben dorthin.

Am nächsten Tag steht eine Stadtrundfahrt an: klar sind die Highlights neben diversen Märchen aus 1001 Nacht die Süleymaniye Camii, die mit ihren hoch aufragenden Minaretten und ihrer exponierten Stellung die Silhouette Istanbuls entscheidend prägt, die Sultan Ahmet Camii, besser bekannt als Blaue Moschee, so benannt wegen ihrer Fliesendekorationen, größte und beeindruckendste Moschee Istanbuls und die einzige mit sechs Minaretten, Hagia Sophia, die Kirche „zur göttlichen Weisheit“, das Goldene Horn und natürlich wie immer bei orientalischen Einflüssen die Märkte. Sicher gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Städten und Märkten, was aber alle gemeinsam haben ist dieses schier unentwirrbare und bizarre Gassengewirr. Die Anlage an und um die Blaue Moschee und Hagia Sophia hat mit dem Hippodrom gleich benachbart eine ausladende Platzanlage und darf sich mit dem weiterführenden Viertel der Altstadt durchaus auf einen erneuten Besuch freuen.

Mit all seinen Gebäuden und Grünanlagen eignet sich der Topkapi-Palast durchaus für einen tagfüllenden Aufenthalt. Dass dennoch das Atatürk-Denkmal noch an diesem Tag auf meinem Zettel steht, liegt auch daran, dass es vom Palast kein Weg dorthin ist. Darüber hinaus aber hatte ich schon von vornherein vor, den Weg von Atatürk am Bosporus entlang zum Hotel zu nehmen.

Atatürk als der legendäre Staatsgründer muss ja doch irgendwie sein. Dynamisch und offensiv schaut er Schiffen, die ins Goldene Horn einbiegen, entgegen. So ist das mit den Denkmälern: einerseits markieren sie eine Kranzabwurfstelle, andererseits vermitteln sie meist mit Aufstellungsplatz und Blickrichtung eine Botschaft an die Außenstehenden. Dass sie bei Staatsgründern Neuankömmlingen aus anderen Welten offensiv zeigen sollen, wer in diesem Staate die Macht ist, ist sicher leicht nachvollziehbar. Wie schon am ersten Abend die Galatabrücke, wichtiger in diesem Zusammenhang ist aber geänderte Weg; fußläufig kommt ne Menge bei rum hier in Istanbul und ich stelle spätestens auf dem Rückflug fest, dass ich mir das 3 Vorabbuchen von irgendwelchen Ausflugs- und Besichtigungsprogrammen ersparen kann, wenn ich gut zu Fuß bin.

Auf eine andere Weise spannend einer der zentralen Plätze des moderneren Istanbul, Taksim. Man kann ihn annehmen als Ausgangspunkt für eine ausgedehnte Fahrt in den asiatischen Teil der Stadt. Erst geht es über die Bosporusbrücke, die fünftgrößte Hängebrücke der Welt, meine ich jedenfalls bei der Fahrt gehört zu haben, 1622 Meter ist sie lang, dann ist’s Kultur paradox: die Erwartung, dass bei der Stadt zwischen Orient und Okzident der asiatische Teil Erinnerungen an Märchen aus 1001 Nacht hervorrufen würde, muss schnell und deutlich zurückgeschraubt werden. Westlich modern wirken die Straßenzüge und Jachthäfen, die ich zu sehen bekomme, wohingegen der europäische Teil das traditionelle Istanbul mit Hagia Sophia usw. widerspiegelt.

Zeit für eine Bosporus-Fahrt. Auf dem Wasser unterwegs zu sein und die Türme der Moscheen an sich vorbeiziehen zu lassen, den Topkapi-Palast aus der Ferne und aus anderer Perspektive zu sehen und die Ausmaße anders einschätzen zu können, macht einfach Spaß. Erweitert wird das Programm durch ein lockeres Dahingleiten einlang der Ufer des Bosporus, der auch, nachdem das Goldene Horn verlassen worden ist, weiterhin spannend bleibt. Entlang der einen oder anderen UferSommer-Villa geht’s bis zum Schwarzen Meer und zurück. Schön entspannend und schön sonnig ist’s und somit der perfekte Schlusspunkt unter satte Erholung nach interessanten, aber leider nicht erfolgreichen acht Wochen in Stapelfeld. Und als ob ich bei der Buchung geahnt hätte: was im folgenden Jahr bzgl. Latein noch auf mich zukommen sollte, hat diesen Trip quasi schon vorweg dringend erforderlich gemacht…

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