IRLAND / NORDIRLAND – Ostern : 2007

City Hall 01

Letztes Jahr Dublin, dieses Jahr Limerick. Besuch bei Fred, der nach langer Suche Job und Wohnung in Limerick hat. Um Übernachtungskosten brauch ich mich auf dem ersten Teil der Tour also nicht zu kümmern. Das lässt sich schon mal gut an. Getoppt wird das von unserem Programm für die nächsten Tage.

Zunächst gibt es eine kleine Stadtführung Limerick, einer rauen Industriestadt, deren Highlights recht schnell abgelaufen sind. Da trifft es sich hervorragend, dass strahlender Sonnenschein zu den ersten Freiluft-Guinness einlädt☺.

Am Abend gibt’s dann noch ein bisschen Nachschlag sowohl vom Guinness als auch von Limerick, welches ja eine wesentliche Rolle in der „Asche meiner Mutter“ spielt. Der nächste Tag sieht die Cliffs of Moher vor, die majestätisch-trotzig dem heranrauschenden Atlantik entgegenstehen. Man kann nicht behaupten, dass wir mit bestem Fotowetter gesegnet sind, aber das beindruckende Naturschauspiel entschädigt allemal.

In der Folge gewinnender Steilküste weitere mitreißende Seiten ab. Es ist wie (fast) überall: zu den bekannten Panoramen werden die Touristenbusse hingekarrt und es wird sogar ein Besucherzentrum in den Felsen gebaut. In diesem Falle folgendermaßen: Felsen aufgemacht, Besucherzentrum reingeknallt, alles wieder zugemacht und begrünt. Der Eindruck soll entstehen, dass dat Ding quasi schon seinerzeit reingewachsen sei. Sehr authentisch. Ein paar Kilometer weiter ist dann kaum ein Mensch zu sehen. Hier ist aber auch nicht mehr die fotogene Steilküste, sondern der auf die Felsen knallende Atlantik der Star; die anmutige Kraft des vom Wind aufgepeitschten Wassers, das sich in immer neuen Schüben an den Klippen bricht. Magische bezaubernde Ästhetik.

Auf dem weiteren Weg zeigt sich, wie wenig grün die Grüne Insel zuweilen sein kann. Mittlerweile sind wir im Burren, einem verwitterten Karstgebirge, über das schon Cromwell, einer der vielen britischen Besatzer, gesagt haben soll: „Kein Baum, an dem man einen Mann aufhängen könnte, kein Tümpel, um ihn zu ersäufen, keine Erde, um ihn zu verscharren.“ Dem ist (fast) nichts mehr hinzuzufügen, außer dass man hier auch jede Menge Steine finden kann, die auch schon in keltischer Zeit aufgetürmt worden sind. Die meisten Steine indes liegen hier seit der Eiszeit rum. Zuvor haben allerdings die eiszeitlichen Gletscher den Burren so zerfurcht, dass das Herz eines jeden Geologen berührt wird. Darüber hinaus sollen hier Pflanzen aus dem Mittelmeerraum, der Arktis und den Alpen prächtig gedeihen, was durchaus sein kann, aber hier nicht bestätigt werden kann, einfach weil davon auf unserer (zugegeben recht kurzen) Strecke nichts zu sehen war. Diese reicht aber allemal aus um zu sehen: eine faszinierende Landschaft. Dass die landschaftliche Vielfalt einmalig in Europa ist, ist vielleicht eine Hypothese verschiedener Reiseführer, wer weiß. Sei’s drum – wenn dem großen Tolkien in dieser Landschaft die Idee zum „Herrn der Ringe“ gekommen ist, dann ist alles möglich.

Der nächste Tag und damit der Ring of Kerry stellt sich landschaftlich ganz anders dar. Sanfter, weniger schroff und steil und von wesentlich mehr grün durchsetzt. Den Atlantik bekommen wir auch hier reichlich zu sehen, genau genommen ist der Weg fast nur entlang des Atlantik. Es ist einfach eine entspannte Tour entlang von unendlich vielen Grün- und Blautönen. Jedes Mal, wenn wir anhalten, um die Aussicht zu genießen, haben wir wenige Meter weiter das Gefühl, ein noch schöneres Panorama vor uns zu haben. Sehr schön. Nach wie vor ist übrigens vom Regen nichts zu sehen (in Irland!) und nach wie vor ist nichts von verstopften Straßen zu sehen. Über Ostern wurde gewissermaßen ein landesweiter Stau befürchtet. Durchaus nachvollziehbar, denn erstens ist das Straßensystem nicht sooo gut ausgebaut und zweitens sind die meisten Straßen so eng, dass sich eigentlich jede Geschwindigkeitskontrolle erübrigt.

Und schon ist der erste Teil der Tour rum. Heute gilt es für mich, 2 ½ intensive Tage in Westirland einzutauschen zunächst gegen eine Überlandreise mit dem Bus gen Belfast. Die gut sieben Stunden mit Zwischenstopp in Dublin zeigen mit überwältigender Klarheit, wie grün und ländlich strukturiert die Insel ist. Richtige Entscheidung.

Für erste Erkundungen in Belfast bleibt nach dem Einchecken im B&B ein wenig Zeit; nach traditionellem Irish Stew mit und bei Fred darf natürlich im Laufe des Urlaubs auch das traditionelle Fish’n’Chips nicht fehlen. Frisch gestärkt geht’s ins „The Oval“; Glentoran und Crusaders Belfast stehen sich im Derby gegenüber. Der Ground ist hübsch anzuschauen, eine Tribüne ist von beachtlicher Steilheit und zur einen Seite sind die Wohngebiete von East Belfast zu sehen; zur anderen kann man die Werftanlagen der legendären „Harland & Wolff“ Werft sehen bzw. erahnen. Ich werde jeweils darauf zurückkommen.

Dem Spiel ist anzusehen, dass die besten Spieler Nordirlands v.a. in der Englischen Liga spielen. Was hier zu sehen ist, kann fußballerisch wenig überzeugen; immerhin gibt es in letzter Minute noch ein Tor für den Gastgeber. Naja, Niveau gab es ja bei der Eintracht in dieser Saison zu keiner Zeit und leider nicht nur in fußballerischer Hinsicht, also lasse ich übertriebene Wertungen mal einfach beiseite. Besser also der nächste Tag, den ich zunächst mit den Highlights der City beginnen lasse. Schnell fällt auf: diese Stadt ist keine Schönheit. Sie ist spröde, hat einige sichtbare Baulücken, hat einige mehr oder weniger schön ausgefüllte Baulücken und natürlich auch das eine oder andere bauliche Highlight. Interessant ist die Stadt! Was auffällt ist, dass diese Stadt noch nicht der Hektik anderer touristischer Highlights anheimgefallen ist. Sie ist es noch nicht und diese wohltuende Entspanntheit macht mir Spaß. Belfast ist diesbezüglich noch am Erwachen. Man darf auf die nächsten zehn Jahre gespannt sein.

Im Vordergrund bei dieser Stadt stand für mich sowieso das politische Belfast und nach einem kurzen Zwischenstop im angeblich schönsten Pub des Königreiches entschließe ich mich zu einem langen Gang durch eben jenes politische Belfast. Der Nordirlandkonflikt oder The Troubles zog sich 30 intensive Jahre durch Nordirland/Irland bis kurz vor Anbruch unseres Jahrtausends. Die Vorgeschichte indes ist deutlich länger. Es muss hier verkürzt bleiben, nur so viel: Zankapfel sind Unabhängigkeit der Republik Irland und das britische Nordirland, die Konfliktlinie verläuft zwischen den unionistischen Protestanten und den überwiegend irisch-nationalistischen Katholiken. Ein religiöser Konflikt mit historisch-politischem Nährstoff, denn die Gegensätze sind keineswegs nur religiös, es sind ebenso gegensätzliche soziale, politische oder wirtschaftliche Auffassungen prägend. Belfast ist wie viele nordirische Städte in protestantische und katholische Wohnviertel geteilt – Falls Road: katholisch-irisch, The Shankill: protestantisch-britisch. Wichtig war mir, vor diesem Hintergrund durch Belfast zu laufen und die entsprechenden Viertel zu sehen. Ich meine, dass man so schon einiges sehr intensiv aufnehmen kann. Befremdlich wirken die hohen Zäune (die sogenannten Friedensmauern) zwischen katholischem und protestantischem Viertel, bedrückend die Narben der Stadt mit vielen freien Plätzen; Plätzen ehemaliger Wohnviertel, die den Troubles zum Opfer gefallen sind. Die sattsam bekannten Murals erscheinen auf den ersten Blick als hübsche Illustrationen in britisch gleichförmigen Häuserzeilen, aber sie sind mehr als das. Sie sind Zeugen und Kommentatoren eines mehr als 100jährigen Konfliktes mit unendlich vielen Toten. Die Murals als bloße Illustrationen zu sehen, verbietet sich auch mit Blick auf die immer wieder zu sehenden Grab- oder Mahnmäler. Diese Stadt hat in meinen Augen – trotz Waffenstillstand und Annäherung usw. – mehr offene Wunden, als sie zugeben will.

Nach meinem intensiven 10-km-Rundgang durch Shankill und West Belfast ist Zeit für ein Guinness, schließlich soll man ja bei diesen Temperaturen auch viel trinken☺. Der Pub, den ich ansteure, zeigt auch das Champions-League Spiel der Bayern. Eigentlich interessiert hier genauso wie in Irland nur der englische Fußball und da Liverpool im anderen Spiel vertreten ist, überrascht mich das ein wenig. Als die Bayern dann auch noch rausgekegelt werden, vergesse ich sogar Muskelkater und schmerzende Füße, die von einem laufintensiven Tag zu berichten wissen.

Bei strahlendem Sonnenschein stehen am Abflugtag der River Lagan und East Belfast noch auf dem Programm, welches automatisch den Blick auf die legendäre Werft „Harland & Wolff“ lenkt. Die besten Zeiten liegen hinter ihr, aber unsterblich ist sie durch den Bau der Titanic. Man darf gespannt sein, wie sich das Hafenviertel in zehn Jahren präsentieren wird. Große Investitionen sollen das Viertel in die Zukunft katapultieren.

Auch an East Belfast ist der Konflikt nicht spurlos vorübergegangen. Ein schönes Viertel? Nein, wenngleich die Häuser mit zunehmendem Weg heraus aus der Stadt gepflegter und größer und ‚individueller’ werden. Fast könnte man meinen, dass hier verstärkt Wert auf einen repräsentativen Weg hin zum Parlamentsgebäude gelegt wurde, wo ich die letzten Stunden bis zum Abflug bei bestem Sonnenschein genieße.

Wieder um einige Eindrücke reicher kommt noch einmal der Fußball zur Geltung, schließlich ist der Flughafen mittlerweile nach einem der größten Söhne der Stadt benannt: „George Best Belfast City Airport“.

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