Irgendwie waren wir davon ausgegangen, dass das vorletzte Spiel der EM-Qualifikation Endspielcharakter haben würde und eine emotionale Nummer am Bosporus werden würde. Doch weit gefehlt, Deutschland geht ungeschlagen durch die Quali und die Türkei muss zusehen, dass sie sich wenigstens noch den Relegationsplatz sichert. So die Situation vor diesem Trip nach Istanbul.
Die Reisegruppe besteht aus Robin, Henning und mir, aber wir sind nicht die einzigen Braunschweiger. Am frühen Nachmittag kommen wir via Berlin in dieser brodelnden Metropole an und müssen nach der U-Bahn-Fahrt vom Flughafen in die Altstadt erst mal unser Hotel finden. Es wird eine ernstzunehmende Herausforderung zwischen verwinkelten Altstadtgassen, hektischem und lauten Verkehr und orientalischem Lebensstil.
Hotel findet sich und wird als gut eingeschätzt, was es am nächsten Morgen mit einem insbesondere für ein 3***-Hotel überragenden Frühstück nachhaltig unter Beweis stellt. Nun, ganz so weit sind wir aber noch nicht, zunächst geht es weiter durch den ungemein hektischen Verkehr. Schon nach wenigen Minuten umfängt uns eine Grundhektik, die uns für die nächsten Stunden nicht mehr loslassen wird. Heftig. Es wirkt, als seien alle 13 Mio. Einwohner und sämtliche Touristen gleichzeitig unterwegs.
Kurze Momente der Ruhe haben wir beim Essen, bevor wir uns wieder in den Verkehr stürzen. Danach geht’s Richtung Stadion. Entgegen der DFB-Empfehlung machen wir uns mit der U-Bahn auf den Weg, sooo viel andere Möglichkeiten gibt es auch nicht. Auch hier der Eindruck, dass alle gleichzeitig unterwegs sind. Immerhin 50.000 fasst das neuerbaute Türk Telekom Stadion und die wollen irgendwie in der U-Bahn untergebracht sein. Es ist in den Bahnen und Gängen megavoll, überraschend aber auch sehr entspannt. Zuversicht trägt die Fans der Türkei. Nach ner Stunde sind wir am Stadion, ein Bier noch und dem wuseligen Treiben zugesehen und dann geht’s ab ins Stadion.
Es wird ein überlegenes Spiel Deutschlands, die Türkei hat nicht die Spur einer Chance. Dementsprechend gedämpft ist die Stimmung. Immerhin kommt nach dem überraschenden Anschlusstreffer mal so was wie Stimmung im Heimbereich auf, was aber auch nur bis zur endgültigen Entscheidung hält. Nach dem Spiel Blocksperre ist irgendwie zu erwarten, dass aber die Orga mit dem Abschalten der Stadionbeleuchtung auch gleich noch die Treppenbeleuchtung ausschaltet, ist es nicht. Wahrscheinlich ein kleines Dankeschön der Gastgeber für die klare Niederlage. Scheiß Verlierer.
Für die Rückreise vom Stadion haben wir uns schon ein ähnliches Szenario wie auf der Hinfahrt ausgemalt, aber war deutlich entspannter als erwartet. Bis zum Taxim-Platz läuft es recht geschmeidig und ab da nehmen wir uns ein Taxi bis zu unserem Hotel. Davor noch ein paar gezapfte Efes, das macht das Bier zwar nicht wesentlich besser, aber doch etwas erträglicher als das Efes-Dosenbier.
Der nächste Tag ist der Stadt vorbehalten. Jeglicher Gedanke, dass es am Wochenende möglicherweise weniger hektisch und laut sein könnte, erledigt sich binnen kürzester Zeit. Lässt sich nicht ändern, wir müssen da durch, denn die Sultan-Ahmed-Moschee (Blaue Moschee) mit ihren sechs Minaretten oder die Hagia Sophia wollen wir selbstverständlich sehen.
Weiter geht’s durch die Stadt und als nächster Höhepunkt steht der Sprung über die Kontinente an. Die Altstadt und damit der wichtigste Teil der Stadt ist auf dem europäischen Teil, der Besuch des anderen Kontinents gehört allerdings zu jeder Istanbulreise unweigerlich dazu. Ist allerdings schnell erledigt und so geht es – zurück auf dem europäischen Teil – entlang des Dolmabahçe-Palastes und vorbei am Inönü-Stadion von Besiktas Richtung Galatabrücke. Wir wollen die ganzen Angler beäugen und gleich noch weiter zum Ägyptischen Basar (Gewürzbasar). Die Hektik erhält hier noch eine Steigerung, dennoch ist der Basar ungemein faszinierend, zumindest für mich.
Die Galatabrücke ist vielseitig: Oben der Verkehr und die Angler und eine Etage tiefer sind ungezählte Restaurants. Selbstverständlich haben die alle Fisch im Angebot. Ob es eine direkte Lieferkette vom Angler über Restaurant zum Endverbraucher gibt, man sich quasi den Fisch direkt beim Angler bestellen kann, konnten wir allerdings nicht ergründen. Am Bosporusufer gefällt es uns, aber der Hektik wollen wir uns denn doch etwas entziehen, auf Dauer sind die Menschen- und Verkehrsmassen und der damit verbundene Lärm nur schwer zu ertragen.
Mit einem Bier auf der Faust finden wir ein Plätzchen, von welchem wir dem bunten Treiben aus entsprechender Distanz zuschauen. Später treffen sich Henning und ich mit Rossi am Taxim während Robin noch das U-21-Spiel Türkei-Ungarn auf dem Zettel hat. Auch mit Blocksperre hat sich das dann irgendwann erledigt und so wird am letzten Abend nochmal richtig Gas gegeben, scheiß auf die frühe Abflugzeit und das damit verbundene noch frühere Aufstehen.
Angekommen in Braunschweig erscheint uns unsere Heimat als DER Ort idyllischer Ruhe, was diese heftige Lärm- und Hektikentfaltung in Istanbul nochmal nachträglich unterstreicht. Es war eine gelungene Tour, für mich sehr schön, Istanbul nach etlichen Jahren wiederzusehen, aber diese überdrehte Hektik und Lautstärke brauch ich so schnell nicht wieder.