Mit Rocky zu Sigur Rós in der Royal Albert Hall. Den Rahmen bilden Grauhörnchen und Halsbandsittiche.
Aufstehen um 6:00 Uhr, Zug geht entsprechend früh, Flieger auch. Um 12:00 sind wir da, wir entscheiden uns, durchzufahren zur Liverpool Station und sind damit quasi mitten drin im Bankenviertel. Das wird uns fortan vor allem mit der Skyline ein beständiger Begleiter sein für den heutigen Tag.
Unser erster Punkt ist indes Leadenhall Market, Harry Potter läßt grüßen. Von da zur Brick Lane, für den einen oder anderen eine Art Geheimtipp. Kann man so sehen, muss man aber nicht. Wohltuend unaufgeregt im doch eher hektischen London dennoch.
Die alte Truman Brewery wird abgelichtet, seit 1989 ist sie Geschichte:
Die Geschichte der Truman-Brauerei reicht bis ins Jahr 1666 zurück, als Joseph Truman in Lolsworth Field, Spitalfields, mit dem Brauen begann. Unter seiner Leitung und später unter der seines Enkels Sir Benjamin Truman, der die Brauerei 1722 übernahm, expandierte das Unternehmen rasch. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war das Unternehmen zu einer der größten Brauereien Londons herangewachsen.
In ihrer Blütezeit im viktorianischen Zeitalter umfasste die Black Eagle Brewery, wie sie damals genannt wurde, etwa zehn Hektar mit mehr als fünfhundert Arbeitern, die wöchentlich Tausende von Fässern herstellten, die in die ganze Welt verschifft wurden, einschließlich Indien, wo sie die britischen Truppen mit Bier versorgten.
Doch wie bei vielen traditionellen Industriezweigen in Großbritannien brachte die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg den Niedergang. Obwohl die Brauerei zwei Weltkriege aufgrund ihrer strategischen Bedeutung für die Versorgung der Truppen im Ausland relativ unbeschadet überstand, führten die Marktkräfte Mitte des 20. Jahrhunderts zur Schließung der Brauerei, die schließlich 1989 nach mehr als drei Jahrhunderten Brauereiarbeit am Standort vollzogen wurde.
Nach der Schließung der Brauerei im Jahr 1989 lag das Gelände brach, bis Immobilienentwickler es mit Plänen für eine Sanierung erwarben. Es dauerte nicht lange, bis sich Künstler und kreative Unternehmen in den neu verfügbaren Räumen niederließen und sie von Industrierelikten in blühende Zentren verwandelten, die an die hugenottische Seidenweberei-Vergangenheit der Gegend erinnern.
Die Truman Brewery ist heute ein pulsierendes Zentrum der Kreativität, in dem sich eine Vielzahl unabhängiger Geschäfte, Galerien, Märkte, Restaurants und Bars befinden. Der Old Truman Brewery Market ist bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebt für seine eklektische Mischung aus Ständen mit Vintage-Kleidung, handwerklichen Lebensmitteln und einzigartigen Kunsthandwerksprodukten. Quelle
The Truman’s brand was revived in 2010 and, since 2013, beer is again being brewed in East London under the Truman’s name. “Black Eagle Brewery” aka Truman’s Brewery has shut down and was bought by Big Penny. Quelle
Anschließend über Tower of London und vor allem Tower Bridge gen Shard, kurz verweilen wir an der Themse. Egal wo, es ist immer wieder faszinierend. Es ist ja nicht so, dass die Themse ein schöner Fluß im ästhetischen Sinne ist, spannend allerdings allemal.
Das Shard anschließend ist schon sehr cool mit seinem Panoramablick über London. Perspektiven vom allerfeinsten, wir bleiben bis zum Sonnenuntergang und der blauen Stunde, was sich lohnt, faszinierende Panoramen im Tageslauf. Irgendwann fährt sogar die Tower Bridge ihre beiden Flügel nach oben, so ganz oft ist das nicht zu bewundern.
Macht definitiv Spaß hier oben.
Ein Bier im Shipwrights Arms, später noch eins, vielleicht waren es auch zwei:-), im Vicoria Pub um die Ecke vom Hotel Nähe Paddington.
Greenwich hat bei mir im Mai nicht mehr gepasst, außerdem wollen wir unbedingt die Eichhörnchen sehen, das erste Ziel für den Tag ist also klar. So biegen wir kurz vorm Maritime Museum, auf jeden Fall einen Besuch wert, nur nicht heute, rechts ab und sind recht schnell drin im Park, die kleinen Nager lassen nicht lang auf sich warten. Die sind schon sehr auf die Menschen konditioniert, ein Rascheln an der Plastiktüte mit den Cashews reicht, um die Aufmerksamkeit zu erregen.
Genau genommen sind es ja keine Eichhörnchen, sondern Grauhörnchen. Die haben die Eichhörnchen hier vertrieben.
Braune Knopfaugen, buschiger Schwanz, rotes, weiches Fell – Eichhörnchen sind klare Sympathieträger. In Europa und Asien sind sie die einzigen Vertreter der sogenannten Baumhörnchen. Doch die Frage ist: wie lange noch? Die niedlichen Nager bekommen nämlich Konkurrenz. Aus Nordamerika stammende Grauhörnchen beginnen sich in Europa zu etablieren und auf Kosten des Eichhörnchens auszubreiten.
Nicht nur Eichhörnchen, auch andere Mitglieder der Hörnchen-Familie sind bei vielen Menschen sehr beliebt und werden auf der ganzen Welt immer wieder außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes ausgesetzt. Schon im Jahr 1876 hat ein Mr. Brocklehurst im westenglischen Cheshire aus Mitleid mit den in Gefangenschaft lebenden Tieren das erste Grauhörnchen-Paar freigelassen – ohne sich über die Folgen seines Handelns Gedanken zu machen. In den folgenden 50 Jahren kam es an mehr als 30 Orten zu weiteren Aussetzungen.
Kaum noch Eichhörnchen in England
Es bedarf bei Grauhörnchen nur weniger Tiere, um tragfähige Populationen zu bilden. Kein Wunder also, dass sich die Grauen 1920 bereits gut etabliert hatten, zwischen 1930 und 1945 explodierte ihr Bestand auf der Insel förmlich. Heute ist England vom Ärmelkanal bis zur schottischen Grenze besiedelt. Das benachbarte Irland erreichten Grauhörnchen 1911 per Schiff, auch dort haben sie sich weit ausgebreitet.
Die umgekehrte Entwicklung machten die Eichhörnchen durch. Noch um 1900 galten sie als Landplage und spezielle „squirrel clubs“, beispielsweise in den schottischen Highlands, brachten jährlich Zehntausende zur Strecke. Heute kommen Eichhörnchen in England nur noch in isolierten Restbeständen vor und die schottischen Vorkommen gelten als gefährdet. Die Tiere verschwinden sowohl aus der Landschaft als auch aus den Köpfen: Inzwischen denken die meisten Briten bei „Eichhörnchen“ an ein graues Tier. Grauhörnchen im Garten sind ihnen so vertraut, dass sie sie nicht mehr missen möchten und dementsprechend wenig Verständnis für Bekämpfung haben.
Squirrelpox-Virus für Eichhörnchen lebensgefährlich
Die Grauen sind robust und wanderfreudig, sie lassen sich von geografischen Barrieren wie Flüssen, ungeeigneten Landschaften oder Industrialisierung nicht abhalten. Zudem haben sie in Laub- und Mischwäldern deutliche ökologische Vorteile gegenüber den Eichhörnchen, die eigentlich eine klassische Nadelwald-Art sind.
Ein weiterer wichtiger Grund: Auch 135 Jahre nach ihrer Einbürgerung tragen Grauhörnchen Krankheitserreger aus ihrer alten Heimat noch in sich. Sie selbst erkranken nicht, aber für Eichhörnchen ist vor allem das Squirrelpox-Virus lebensgefährlich. Vielerorts sind diese Viren die Hauptursache, dass Eichhörnchen rapide verschwinden. Quelle
Wir haben sehr viel Spaß, verbringen unendlich viel Zeit, erleben die kleinen, ständig geschäftigen Nager in den unterschiedlichsten Positionen und Situationen, sehen die Elstern, die sich zuweilen die Nüsschen stibitzen und haben zusätzlich Spaß an und mit den Halsbandsittichen, die sich hier zahlreich in den Bäumen rumtreiben.
Zwischendrin sozusagen Greenwich, das alte Teleskop ist allerdings schon sehr beeindruckend. Es tritt aber ganz klar in den Hintergrund angesichts des faszinierenden Tages mit den Grauhörnchen und dem beeindruckenden Panorama von London. Selbst den Nullmeridian haben wir vergessen.
Anschließend der Weg zum Hotel über den Sherlock Holmes Pub in der City. Ich wiederhole mich, aber ich liebe die britische Pub-Kultur.
Abends schlendern wir von unserem Hotel zur Royal Albert Hall, Sigur Rós steht auf dem Programm. Haben wir ab und an gehört im Sommer in Island und verspricht, ultraspannend zu werden. Gleich drei Konzerte spielen sie in der RAH. An einem sind wir dabei. Es wird ein bemerkenswerter Abend, musikalisch sowieso, Sigur Rós ist einzigartig, atmosphärisch so dicht und dabei gleichzeitig fast meditativ. Ganz ganz spannend. Das Zusammenspiel mit dem Orchester passt und zum Abschluss kommt die so faszinierende Orgel der Albert Hall zur Geltung mit keiner Geringeren als der Cheforganistin Anna Lapwood. Sie hat hier Superstarstatus, die Halle liegt ihr zu Füßen.
Anschließend entlang des Kensington Parks kommen wir vier Minuten vor Last Order im Victoria Pub an, sehr schön. Aber wir haben ja vorher auch schon in der Old Speckled Henn Bar in der Albert Hall geleckert am Old Speckled Henn. Bemerkenswert insofern die Bar, als dass sie zwar vier Zapfhähne hat, aber das Bier konsequent aus Flaschen einschenkt, die anschließend säckeweise entsorgt werden.
Der letzte Tag des ultrakurzen Tripps steht an und wir beginnen im Kensington Garden mit den Halsbandsittichen. Die Parade der Wasservögel folgt und während wir noch überlegen, wo und wie lange wir durch den sich anschließenden Hyde Park laufen wollen, beantwortet sich die Frage fast von selbst durch die unfassbar niedlichen, unfassbar zutraulichen Grauhörnchen.
Die Halsbandsittiche indes lassen sich nicht stören.
Die grünen «Parakeets» stammen ursprünglich aus Indien. Wie die exotischen Vögel nach London gelangt sind, darüber kursieren unzählige Mythen. Die berühmteste Geschichte lautet so: Jimi Hendrix habe 1968 mitten in London zwei dieser Sittiche in die Freiheit entlassen.
«Als Zeichen des Friedens, der Liebe oder in einem psychedelischen Rausch», sagt Hunt. Es gebe für die Geschichte zwar keine Beweise, sicher aber sei, dass Hendrix zu dieser Zeit in der Nähe gewohnt habe.
Gemäss einer anderen Legende entwischten die Vögel bei Dreharbeiten 1958, als in London der Filmklassiker «African Queen» mit Humphrey Bogart und Kathrin Hepburn gedreht wurde. Der Film spielt in den Sümpfen im Herzen Afrikas.
Laut Hunt sollen dabei Sittiche auf dem Filmset in den Isleworth Film Studios verwendet worden sein. Die exotischen Statisten seien dann entweder abgehauen oder nach den Dreharbeiten freigelassen worden.
Interessanterweise ist im ganzen Film kein einziger grüner Papagei zu sehen. Die Vögel müssten also abgehauen sein, bevor die Aufnahmen überhaupt begonnen haben. Die Wahrheit könnte durchaus banaler sein: Vielleicht hat ein Kolonialbeamter einst ein Paar «Parakeets» aus Indien zurückgebracht und deren Nachkommen sind früher oder später aus einer Voliere entwischt.
Die Vögel inspirieren auch die Politik: Denn obschon erste Berichte über frei lebende Sittiche im Südwesten von London bereits 1930 auftauchten, würden einige Leute diese mit dem Klimawandel in Verbindung bringen, erzählt der Biologe Hunt.
Für andere seien die Vögel dagegen ein Symbol für die unerwünschte Immigration. So sei rund um das Brexit-Referendum argumentiert worden, die fremden Vögel würden die einheimischen verdrängen. Dasselbe passiere gerade bei den Menschen.
Und dann gebe es natürlich noch die zoologischen Puristen und Ornithologen, welche die Exoten schon lange beseitigen möchten, weil sie nicht zum lehrbuchmässigen Inventar der britischen Fauna gehörten, so Hunt.
Das sei ein seltsames Argument, denn alles in der Metropole London sei künstlich und verdränge die Natur: «Mitten in dieser Metropole aus Stahl und Beton zu stehen und mit dem Finger auf diese Vögel zu zeigen, scheint mir ein bisschen seltsam.»
Entwischt. Entflogen. Entlassen. Wie Adam und Eva nach London gekommen sind, bleibt wohl ihr Geheimnis. Tatsache ist jedoch: Sie beflügeln die Fantasie der Menschen. Und sie sind gekommen, um zu bleiben: Die Zahl ihrer Nachkommen wird mittlerweile auf 10’000 geschätzt. Quelle
Das Natural History Museum mit seiner außergewöhnlichen Architektur und Geschichte darf natürlich nicht fehlen.
Ein letztes IPA, paar Postkarten geschrieben im Buckingham Arms und dann machen wir uns auf den Weg zum Flughafen. Es wird doppelt entspannt, der Flug dauert nicht und die Bahn müssen wir nicht bemühen, in Hannoi holt uns Bine ab, grandios und ganz lieben Dank nochmal. Auch für das leckere Fahrbier:-)




































