LONDON – 15. – 17. Mai 2025

Lange war ich nicht in London, es wird einfach wieder Zeit. Ein Konzert mit Anna Lapwood in der Royal Albert Hall ist mehr als willkommener Anlass.

Es begann mit der OPUS-Preisverleihung, übertragen von der ARD am 13. Oktober 2014. Normalerweise schaue ich solch Veranstaltungen eher nicht, heute aus irgendwelchen Gründen eben doch hängengeblieben. Und hängengeblieben zu einem Zeitpunkt, an dem einer der Preis an Anna Lapwood verliehen wird. Schlagartig zieht sie mich in ihren Bann. Lebendig, begeistert, begeisternd präsentiert sie die Orgel an dem Abend auf eine Art, die ich so noch nie gehört habe. Ich bin nachhaltig fasziniert. Und als kurze Zeit später ihr allererstes Konzert als Headliner angekündigt wird, angekündigt wird in der Royal Albert Hall, buche ich unmittelbar durch.

Ich bin sehr sehr gespannt.

Am 15. Mai geht der Flieger, Mittags bin ich in London, recht fix auch am Hotel in der Nähe von Paddington. Ich laufe durch Kensington Garden. Laufe entlang des Blesshuhn-Nachwuchses, entlang von Eichhörnchen, entlang von Reihern. Kensington Garden ist cool.

Und Kensington Garden ist direkt an der Royal Albert Hall, dem Ziel für den heutigen Abend. Aber soweit sind wir noch nicht. Zunächst streife ich durch das durchaus mondäne Viertel hin zum Nature History Museum. Mich fasziniert vor allem die überragende Architektur des 1881 erbauten Haupthauses. Ein Walskelet hängt unter dem Dach, aber i-wie erscheint es doch recht klein im Vergleich zum Hause. Faszinierend starke Architektur.

Ein Bier und gute Fish ’n‘ Chips genieße ich im Queens Arms, ehe es zur Albert Hall geht. Ich bin sehr gespannt, vlt. auch bissel aufgeregt, wer weiß:-)

Die Albert Hall (1871 eröffnet) gefällt mir vor allem von außen, der Umlauf im Inneren überzeugt mich nicht wirklich, aber der zählt ja nicht wirklich, entscheidend ist drinnen. Und das ist schon gewaltig. Natürlich. Über 6.000 Leute haben hier Platz, ein beeindruckendes Rund. Mein Platz ist direkt vor der Bühne, freier Blick auf das Orchester, freier Blick auf die Orgel. Denn die ist unbestreitbar ein Star des Abends. Natürlich nicht ohne Anna Lapwood, die hier einen unfassbaren Auftritt hinlegt. Sie ist Superstar des Abends, Moderatorin, Organistin. Und irgendwann spielt sie ein Geburtstagsständchen für ihre Grandma. Auf der Orgel. Die Halle ist begeistert, ich auch.

Das Programm ist vom Feinsten:

Filmmusiken von Interstellar, Da Vinci Code, zwei eigens für diesen Abend komponierte Orgelsinfonien von Max Richter bzw. Kristina Arakelyan und dann noch die 3. Sinfonie, die Orgelsinfonie von Camille Saint-Saëns.

Ein sensationeller Abend. Ein Abend für die Orgel. Für die Orgel der Royal Albert Hall, welche wirklich schwerst beeindruckend ist. Beseelt gehe ich zurück zum Hotel.

Classical music sensation and Royal Albert Hall associate artist Anna Lapwood brings the organ to the fore in her Royal Albert Hall headline debut, accompanied by the Philharmonia Orchestra and Philharmonia Chorus, conducted by André de Ridder.

This special concert will include two new commissions: the premiere of a work for organ, chorus and orchestra, written for her by acclaimed composer Max Richter, and a piece by exciting young composer Kristina Arakelyan, alongside renditions of Hans Zimmer’s Chevaliers de Sangreal and Interstellar Suite, and Camille Saint Saëns’ Symphony No. 3. […]

„I am so excited to be able to announce these two new commissions from Max Richter and Kristina Arakelyan, both made possible by the Royal Albert Hall. I feel really strongly about placing the organ at the heart of the classical world instead of on the periphery, and commissioning more music for organ and orchestra lies at the heart of this.“ Anna Lapwood

„I’m so happy to have written this new work for Anna, one of the brightest lights of the contemporary classical scene. Composing the piece has been a wonderful and fascinating challenge; a process of discovering the outer limits of sonic and physical space. I hope that hearing this concerto on that legendary organ, in one of the world’s great venues, will be a once-in-a-lifetime experience for the audience.“ Max Richter Quelle

Tausend Möglichkeiten bietet London, so fällt es nicht leicht, die ‚richtige‘ Wahl zu treffen. Ich entscheide mich bei bestem Sonnenschein für die Battersea Power Station im Süden Londons. Die hat von 1933 bis 1983 London mit Strom versorgt, produziert aus riesigen Mengen Kohle. Die Kais vor der der Station künden von der Mächtigkeit. 243 MW bei einer Spannung von 11 kV sind es zu Spitzenzeiten. Pink Floyd Fans kennen das Ding von Animals, The Who Fans von der Quadrophenia.

Die Power Station mit ihren vier Schornsteinen ist markant, ist immer noch mächtig, wenn auch eben nachindustriell gezähmt und im Innern nur entfernt an Kohle und Schweiß und Arbeit erinnernd. Immerhin, viele Elemente sind erhalten geblieben, in die neue Verwendung überführt und integriert. Spannende Mischung mit sehr sehr vielen Perspektiven.

Spannend auch der Lift 109 in einem der Schornsteine. Also wenn man das ganze Gedöns weglässt. Aber es muss wohl mittlerweile alles irgendwie eine Experience sein. Also Karte kaufen, warten, irgendein Video, ein Animationfilm, Fahrstuhl, Treppen. Mindestens die Hälfte davon verzichtbar.

Irgendwann sind wir denn doch endlich im Lift 109. Der allerdings ist dann wirklich cool. Ein gläsernes Ding für 12 – 15 Leute, die gemeinsam in dem ehemaligen Schornstein hochfahren, das ist schon cool, vor allem der Moment, in dem der Fahrstuhl den engen Schlot verlässt und auf einmal in das Panorama von London fährt. Sehr geiles Gefühl, bissel Kribbeln ist dabei, aber die Idee, gerade einen der Schornsteinschlote zu nehmen und dem geneigten Touristen ein neues London-Panorama zu bescheren ist schon echt großartig.

Danach noch durch das neu entstandene Viertel um den Electric Boulevard in direkter Fortsetzung von Battersea. London hat sich dazu entschieden, um Battersea ein angesagtes Viertel entstehen zu lassen, das finde ich legitim, passt auch zu der Umwidmung der Trafo Station. Entstanden ist ein – auch architektonisch – spannendes Areal. Was die Wohnungen hier kosten, will ich aber so genau gar nicht wissen:-)

Hier ist noch einiges zu lesen zur Battersea Power Station.

Einmal dabei schaue ich mir gleich noch die Bankside Power Station, heute Tate Modern genauer an, das war bis 1981 ein Ölkraftwerk. Wie bei Battersea ist Sir Giles Gilbert Scott der Architekt, wie Battersea hat das Gebäude ein Stahlskelett und ist mit Ziegeln verkleidet.

Heute weiß die Tate Modern mit Geschichte und Kunst zu überzeugen.

Den Rest der verbringe ich am Ufer der Themse, das geht immer und das Shakespeare Globe z.b. ist ein Hingucker, auch wenn ich nicht vorhabe, reinzugehen.

Der nächste Tag ist schon der letzte dieses wirklich sehr kurzen Kurztripps. Eine Stunde mit dem Bus und dann stehe ich vor dem einzigen wirklich ernstzunehmenden Bauhaus-Gebäude in London. Bauhaus und England fanden i-wie nicht zusammen.

Gepflegte viktorianische Stadthäuser, blühende Vorgärten und junge Mütter mit Kinderwagen – in Hampstead, einem der wohlhabendsten Stadtteile Londons, deutet auf den ersten Blick nichts darauf hin, dass hier einst eine Revolution stattgefunden hat. Und dennoch war es ein veritabler Aufstand, den Jack und Molly Pritchard vor 85 Jahren hier anzettelten.

Der Unternehmer und seine Frau, beide Cambridge-Absolventen und „Hampstead Liberals“, am besten mit dem Begriff „Salonsozialisten“ zu übersetzen, hatten sich in der Lawn Road ein Haus gebaut, das alles auf den Kopf stellte, was man im Königreich bis dahin unter dem Begriff „Wohnen“ verstand. Das Isokon Building war nicht nur das erste in Stahlbetonweise errichtete Wohngebäude, es revolutionierte auch den europäischen Wohnungsbau und brachte 1934 die Moderne ins konservative England.

Wie ein Wesen von einem anderen Stern muss das Isokon (benannt nach seiner isometrischen, dreidimensionalen Planung) seinen Nachbarn in der beschaulichen Wohnstraße erschienen sein. Strahlend weiß, mit der stromlinienförmigen Eleganz eines Luxusliners, erhebt es sich aus dem Meer einförmiger brauner und roter Klinkerbauten. Quelle

Und so lebt es sich im Isokon Building.

Eigentlich war das Haus als Prototyp geplant; das standardisierte, funktionale Bauen sollte in Serie gehen, um den Bedarf nach erschwinglichen Wohnungen zu erfüllen. Doch für die nächsten Projekte in Manchester, Birmingham und Windsor, die Gropius realisieren sollte, fehlte das Geld beziehungsweise die Baugenehmigung. Als der deutsche Architekt dann einen Ruf nach Harvard bekam, wanderte er nach zweieinhalb Jahren in der Lawn Road mit seiner Frau in die USA aus.

„Großbritannien und das Bauhaus, das ist keine Erfolgsgeschichte“, sagt Haushistoriker Magnus Englund. Quelle

Im Frognal Way ist noch bissel was zu finden und es ist sicher kein Zufall, dass es an das Haus von Le Corbusier und P. Jeanneret in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung erinnert.

Für Greenwich und die Eichhörnchen bleibt anschließend keine Zeit mehr, ich muss den Rückflug bekommen. Also muss ich mit der Tasche voller Cashewkerne nochmal wiederkommen. Immerhin gelingt noch ein kurzer Stopp an Big Ben und Westminster Abbey.

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