Was vor zwei Jahren gut war, kann dieses Jahr nicht schlecht sein sagen sich Rocky und ich und buchen die Norröna. Und haben jede Menge Spaß mit Puffins, Skyr & Co.
Wir starten mit einer Übernachtung in Aalborg, um nicht die Nacht durchfahren zu müssen. Aalborg wäre durchaus einen längeren Besuch wert, das muss warten. Vielleicht bei der nächsten Tour mit der Norröna. Am nächsten Tag nachmittags startet die Fähre ihre 36-Stunden-Tour zu den Färöern.
Ich finde es immer wieder faszinierend und aufregend, wie unmittelbar das Urlaubsgefühl hier einsetzt. Unmittelbar nachdem das Auto abgestellt ist und die Sachen in der Kabine verstaut sind, fängt der Urlaub an. Unmittelbar und mit ganzer Wucht. Ich liebe dieses Gefühl. Es ist ein anderes Reisen als mit dem Flieger. Entschleunigt, intensiv, bewegend.
Unabhängig davon haben wir eine Menge Spaß an Bord mit dem Skansagarður Buffet. Irgendwann, als die Kinder den kleinen Soccer Court nicht mehr belagern, kicken wir sogar ein bissel. Zum Absacker in der Bar haben wir dann Livemusik. Die Norröna als Gesamtkunstwerk.
Im Aufgang zum Deck hängen Bilder der Norröna-Vorgängerinnen, es ist nicht nur eine Geschichte eines Schiffes, sondern auch eine Geschichte von der Entwicklung der Färöer von einer ablegenen und armen Inselgruppe im Nordatlantik bis zu einer besiedelten und angesagten Inselgruppe, dem auch die Größe der Norröna Rechnung trägt.
Hier die Geschichte, aufgeschrieben von der Smyril Line, die Bilder aufgenommen auf der Norröna:
Das Schiff der Reederei DFDS, MS Dronning Alexandrine (gebaut 1927) lief die Färöer Inseln von 1927 bis 1939 an. Während des 2. Weltkrieges las es in Kopenhagen auf, bis die Deutschen es von 1944 bis 1945 kurzfristig übernahmen. Im Jahr 1945 nach Kriegsende kehrte MS Dronning Alexandrine auf die Route Kopenhagen – Färöer – Reykjavik zurück, bis das Schiff 1965 verschrottet wurde. MS Dronning Alexandrine konnte 153 Passagiere befördern.
Im Jahr 1947 übernahm Skipafelagið Føroyar die SS Gullfoss (gebaut 1915) von der isländischen Reederei Eimskip. Das Schiff fuhr in den Jahren 1947 bis 1953 unter dem altbewährten Namen SS Tjaldur für Skipafelagið auf der Verbindung Färöer Inseln – Kopenhagen. Es konnte 74 Passagiere an Bord nehmen.
1953 nahm P/F Skipafelagið Føroyar die neue MS Tjaldur in Empfang, die auf der Aalborg Værft gebaut wurde. Es konnte 447 Passagiere befördern. Dieses Schiff im modernen Design revolutionierte den Verkehr zwischen Dänemark und den Färöer Inseln. Es bot seinen Passagieren Unterkunftsmöglichkeiten in der 1., 2. und 3. Klasse und hatte im Vergleich zu seinen Vorgängern ein sehr modernes Aussehen. Skipafelagið konnte mit der neuen MS Tjaldur erstmals Kreuzfahrten von Kopenhagen auf die Färöer Inseln anbieten. Passagiere genossen die Zeit an Bord, während das Schiff von Hafen zu Hafen auf den Färöern fuhr, bevor es nach Kopenhagen zurückkehrte. Diese MS Tjaldur war auch erheblich schneller als die vorhergehenden Schiffe. Die Fahrzeit von Kopenhagen bis zu den Färöern verkürzte sich dadurch um einen ganzen Tag. Die Bevölkerung der Färöer schloss die elegante MS Tjaldur in ihr Herz. MS Tjaldur transportierte von 1953 bis 1967 Fracht und Passagiere zwischen den Färöern und Kopenhagen.
Bis zum Jahr 1974 gab es für Färöer kaum Möglichkeiten, das eigene Auto mit in den Urlaub nach Dänemark zu nehmen. Die Fähren hatten kein Fahrzeugdeck und die Anbordnahme mit Hilfe eines Krans war die Ausnahme. Erst durch die Übernahme der Route Färöer – Dänemark durch die Reederei DFDS änderte sich die Situation. MS England verfügte über ein Fahrzeugdeck, das sich über die gesamte Schiffslänge erstreckte und bis zu 120 Fahrzeuge aufnehmen konnte. Ein großer Vorteil, wurde doch die Mitnahme des eigenen Autos jetzt zum Kinderspiel.
Viele Färöer und andere Reisende nahmen das Angebot gerne an. MS England konnte 634 Gäste an Bord nehmen. Das Schiff verkehrte in den Sommermonaten 1974 bis 1980 auf der Färöer Route.
Das DFDS Schiff Kronprins Frederik aus dem Jahr 1941 kam 1966 in den Verkehr Richtung Färöer und befuhr die Strecke bis 1974. Viele Färöer erinnern sich noch gut an das Schiff und es wurde als „Krúnprinsurin“ bekannt, als Kronprinz. Es konnte 356 Passagiere befördern und hatte ferner Platz für einige PKW, die jedoch noch mit einem Kran an und von Bord gehievt werden mussten.
Das Schiff verfügte über eine moderne Ausrüstung, so gab unter anderem Stabilisationstanks, die es auf See stabiler machten. Bei den Passagieren war dies natürlich eine sehr populäre Neuerung, insbesondere wenn man bedenkt, wie das Wetter in Nordatlantik sein kann.
1981 setzte DFDS dann die MS Winston Churchill anstelle der MS England ein, die Inseln 7 Sommer lang versorgt hatte. Das Schiff war zwar etwas kleiner, ansonsten aber sehr ähnlich. Es verfügte gleichfalls über ein großes Autodeck, das bis zu 180 Fahrzeuge aufnahm, und bot 390 Kabinenplätze. Die Kapazität lag aber bei maximal 462 Passagieren, denn es war seinerzeit nicht ünüblich, eine einfache Deckpassage ohne Kabine für die Überfahrt zu buchen. MS Winston Churchill verkehrte in den Sommermonaten 1981 bis 1992. Die letzte Fahrt war im Sommer 1992. Dies war zugleich das letzte Kapitel der Geschichte DFDS und Färöer, denn DFDS stellte die Färöer Route endgültig ein.
Die erste MS Norröna nahm den Verkehr zwischen Dänemark, den Färöern und Island im Jahr 1983 auf. Mit dem Erwerb der MS Norröna änderte sich die Lage im nationalen und internationalen Passagierverkehr in Richtung Färöern grundlegend. Das Schiff fuhr von Anfang an für die neugegründete Reederei Smyril Line, die von einigen Privatinvestoren im Jahr zuvor ins Leben gerufen worden war. Das 1973 gebaute Schiff war zuvor unter dem Namen Gustav Vasa bekannt und in Schweden registriert. Vor der Indienststellung auf den Färöern wurde es auf der Werft in Flensburg von Grund auf renoviert und modernisiert. MS Norröna war 1983 ein modernes, der Zeit entsprechende Schiff und konnte 1.050 Passagiere befördern, ferner 250 Fahrzeuge. Damit war es größer uns komfortabler als die Vorgänger, die bis dato die Färöer Inseln mit der Welt verbunden hatten. In den ersten Jahren fuhr MS Norröna lediglich während der Sommermonate aber eine steigende Nachfrage im Frachtbereich sorgte dafür, dass das Schiff ab 1998 ganzjährig auf der Route zwischen Dänemark und den Färöern unterwegs war. Während der Sommersaison waren Island, die Färöer, die Shetland Inseln, Norwegen und Dänemark Bestandteile des Fahrplans, bis im Jahr 2003 ein Neubau mit dem gleichen Namen die Rolle der ersten MS Norröna übernahm.
Die zweite MS Norröna ging 2003 auf Jungfernfahrt mit Kurs Färöer Inseln. Mit diesem Schiff wurde der Passagierverkehr zu den Färöer Inseln auf eine neue Stufe gestellt. Smyril Line hatte seinerzeit erkannt, dass die Zeit der 1973 gebauten ersten MS Norröna gekommen war und entschied sich für den Neubau einer neuen MS Norröna, die die erste Luxusfähre zwischen den Färöern und der Welt wurde. Der Neubau war ein bedeutendes Unterfangen. Letztendlich erteilte Smyril Line der Flender Werft in Lübeck den Bauauftrag und im Sommer 2003 lief der luxuriöse Neubau vom Stapel. Die jetzige MS Norröna kann bis zu 1482 Passagiere und 800 PKW bzw. 130 Trailer befördern.
………………..
Am 14.07. um 22:00 kommen wir in Torshavn an, 500 m bis zum Hotel, die drei Tage auf den Inseln beginnen. Wir starten zum ehemaligen NATO-Horchposten Sornfelli. Bestes Wetter, beste Sicht. Es ist ein Traumpanorama hier oben, fast bei jedem Wetter, aber gerade heute ist es noch mal ganz besonders, das hatte ich auch anders erlebt und weiß nicht nur deswegen den Moment so zu schätzen.
Weiter gehts nach Vágar mit einer Wanderung nach Trælanípa. Der See über dem Atlantik, der sich über den Bøsdalafossur in selbigen ergießt. Auch zwei Jahre nach meiner ersten Wanderung hier ist es einzigartig, wunderschön, grandios. Ich liebe diesen Ort. (Komoot)
Anschließend weiter nach Gásadalur mit dem epischen Múlafossur. Malerisch gelegen, weiterhin bestes Wetter. Und wir bekommen die ersten Puffins vor die Linse. Vollkommenes Glück.
Einen Tag später versteckt sich die Sonne des Vortages komplett hinter einer dicken Hochnebelschicht. Geplant ist der Villingadalsfjall, aber der ist nicht mal ansatzweise zu sehen, eine Wanderung hoch auf den Berg macht keinen Sinn, es gibt keine Aussicht. Und nur wegen der sind wir ja hier. Es bleibt uns die – immerhin recht fotogene – Viðareiði Kirkja.
Später in Klaksvík nächster Versuch mit dem Klakkur, aber auch hier ist nichts zu machen. Die Berge sind kaum zu sehen. So ist es, das Wetter auf den Färöern. An einem Tag scheint die Sonne, am nächsten Tag regnet es oder ist neblig oder es stürmt. Oder alles gleichzeitig.
Wärmster Monat ist der August (10,6 °C), kältester Monat der Januar mit Mittelwerten von 3,4 °C.
Der Jahresniederschlag liegt bei 1437 mm an 210 Tagen mit Niederschlag. Zum Vergleich: In München werden jährlich 967 mm, in Berlin 570 mm Niederschlag gemessen. […]
Gemäß unserer Klimatabelle ist der Juni der sonnigste Monat mit durchschnittlich 4.2 Stunden Sonnenschein pro Tag. Im Jahresmittel scheint die Sonne durchschnittlich an 2,3 Stunden pro Tag. Zum Vergleich: In München und Berlin scheint die Sonne durchschnittlich über das ganze Jahr jeweils 4,7 Stunden pro Tag. Quelle
Und so ist der Unterseetunnel mit dem Kreisel unser vorläufiger Tageshöhepunkt.
Foto von Rocky
Aber wir lassen uns nicht entmutigen, fahren nach Tjørnuvík und hoffen auf ein Panorama mit Risin og Kellingin, aber auch diese Hoffnung erfüllt sich nicht. Selbst die Austernfischer verschwinden im Nebel und sooo weit weg sind die denn doch nicht.
Hier die Sage vom Riesen und dem Trollweib (Risin og Kellingin)
Island, die große Insel im Nordatlantik, machte sich Sorgen um die kleinen Färöer, die ganz alleine im Nordatlantik lagen. Um sie nach Hause zu holen, wurden der Riese und seine Frau beauftragt, die 18 Inseln durchs Meer zu ziehen und nach Island zu bringen. Risin und Kellingin machten sich auf den Weg und hatten schon bald die Färöer erreicht. An dem äußersten nordwestlichen Berg Eidiskollur machten sie Halt. Der Riese blieb im Meer stehen, während das Trollweib den Berg erklomm, um die Inseln zusammenzubinden. Beim ersten Versuch, die Färöer wegzuziehen, brach die nördliche Flanke des Berges ab; also mussten sie es erneut versuchen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie die Inseln festgezurrt hatten, um endlich mit dem Fortschleppen beginnen zu können. Die Nacht war jedoch schon weit fortgeschritten und der Tag graute – beide Trolle waren so in ihre Arbeit vertieft, dass keiner bemerkte, wie die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont kamen. Trolle vertragen aber kein Sonnenlicht und so verwandelten sich beide augenblicklich zu Stein. (Andreas Wachter: Färöer. Edition Elch, S. 89)
Kurzer Stopp am Fossa.
Bleibt noch Saksun, dieser bezaubernde Ort und er hält, was er verspricht. Wunderschön gelegen mit einem kleinen süßen Bauernhof und einer kleinen süßen Kirche als zentralem Fotospot. Ursprünglich steht die Kirche in Tjørnuvík. In den 1850ern wird sie dort abgebaut und über den Wanderweg nach Saksun gebracht und am dritten Sonntag nach Trinitatis 1858 wieder eingeweiht. Die Innenwände, Stützbalken und der Altar werden von der Kirche von Tjørnuvík übernommen, die hölzernen Außenmauern werden durch Stein ersetzt. Der Wanderweg über die Berge existiert noch heute, angeblich einer der schönsten auf den Färöern. Erst 1957 bekommt der Ort Elektrizität, 1963 bekommt die Kirche endlich elektrisches Licht und zusätzlich eine Heizung.
Der letzte Tag auf den Inseln. Früh haben wir uns festgelegt auf eine Drangarnir-Tour. Schlauchboote bringen uns hin, dann haben wir knapp zwei Stunden Zeit auf der Landzunge von Vágar. Panos, Puffins, Photostops – phänomenal.
Mit dem Schlauchboot geht es jeweils an den Aquakulturen vorbei. Die sind rund um die Inseln verteilt. Die dort gezüchteten Lachse machen runde die Hälfte der Exporte aus. Dazu kommt die die fünftgrößte Hochsee-Fischfangflotte des Nordatlantiks, so dass Fischprodukte etwa 95 % des färöischen Exports ausmachen. Und so befeuert die Fischproduktion den allgemeinen färingischen Wohlstand.
Der Weg zurück entlang der Sandavágs Kirkja, der ältesten Kirche der Färöer. Gegenüber reitet der Hirte von Sondum auf die Kirche zu. Folgendes hat sich vor langer langer Zeit zugetragen:
Eines Tages, als er zu Pferd unterwegs war, um seine Schafe zu hüten, stieß er auf einem großen Felsen am See Fjallavatn auf ein Kleid. Seine Perlen glänzten in der Sonne. Er nahm das Kleid und machte sich auf den Heimweg.
Er wusste nicht, dass das Kleid einem Riesen gehörte. Als der Riese hinausging, um das Kleid zu holen, bemerkte er, dass es verschwunden war. Als er den Horizont absuchte, sah er den Hirten. Der Riese, der verkrüppelt war, rief seiner Schwester über den See zu: „Schwester, Schwester, der Hirte hat mein Kleid gestohlen. Meine Beine sind verkrüppelt und ich kann nicht rennen.“
Die Schwester rannte los, um den Hirten zu verfolgen. Als der Hirte an einem Bach anhielten, um Wasser zu holen, bemerkte er, dass die Schwester ihn verfolgte, stieg schnell wieder auf sein Pferd und galoppierte davon. Als er Miðvágur passiert hatte, war sie so nahe gekommen, dass sie den Schweif des Pferdes erfasste und ihn abriss. Der Hirte lenkte sein Pferd in Richtung Kirche, da er wusste, dass Riesen keinen heiligen Boden betreten durften. Als er die Kirche erreichte, warf er sich vom Pferd, doch der Riesin bekam das Kleid zu fassen. Sie zog und zog, bis das Kleid riss und dem Hirten nur noch ein Ärmel blieb. Der Ärmel war jedoch so groß, dass man daraus einen Priestermantel machen konnte. Der Mantel wird noch heute vom Pfarrer in der Kirche von Sandavágur getragen. Quelle
Anschließend Check In für die Fähre, Auto abgestellt und noch bissel Zeit für das Hafengebiet von Torshavn und schon gehts weiter mit der der Norröna gen Seyðisfjörður. Das Wetter zeigt sich zum Abschied von der allerfeinsten Seite, gerade als wir zwischen Kalsoy und Kunoy hindurchfahren, reißt der Himmel auf bezauberndste Weise auf und zeigt die Inseln, aber eben auch die ganzen Färöer in wonnewarmen Abendlicht. Fehlt nur noch ein MangoIPA.
8:30 sind wir in Seyðisfjörður und denken, insbesondere als wir vom Schiff runter sind und über den Pass gen Egilsstaðir wollen, dass wir Teile des Vortagswetters offensichtlich mitgenommen haben. Das ist hier krass und hat gerad so ne Anmutung von Spätherbst. Als wir paar Schneefelder um den Heiðarvatn sehen, wird uns unfreiwillig winterlich zumute. Bissel Sorgen machen wir uns schon, gleichzeitig hoffen wir, dass es jenseits des Passes anders aussehen möge.
Was es dann auch tut, zum Glück. Wir orientieren uns an den Wolken und fahren zur Gegend, die uns am wenigsten kritisch erscheint. Cool wird’s um den Tófufoss. Kleiner Wasserfall zum Einstieg sozusagen, aber völlig unangetastet, wir sind hier allein.
Wie auch später, als wir etwas höher fahren, um einen Blick auf das Tal mit dem Lagarfljót zu bekommen. Eine schöne Ecke, viele kleine Zuflüsse, die sich zu einem größeren vereinigen, später zu einem noch größeren usw. Wenn man genau hinsieht, kann man hier den Beginn der nächsten Schlucht sehen, denn irgendwann fängt alles mal mit ein paar Tropfen Wasser an, später ist es ein Flüsschen, dann zwei, drei usw. Das ist es, das ist Island für mich. Die Landschaft formt sich und hier kann man ganz ganz nah dabei sein, beobachten, die Phantasie mitnehmen auf faszinierende Reisen.
Wenn nicht ist es einfach immer noch eine atemberaubend schöne Landschaft, später mit Litlanesfoss und vor allem Hengifoss eindrucksvoll unterstrichen. Hier ist dann deutlich mehr los, der Parkplatz wird gerad erweitert, ein kleines Visitor-Center steht kurz vor der Fertigstellung. Die Wanderung zum Hengifoss hat paar Höhenmeter, vor allem aber sich ständig ändernde Perspektiven. Auf die Wasserfälle, auf die erodierte Gegend, auf die weite Landschaft mit Lagarfljót und umliegenden Wäldern. (Komoot).
Zeit und Licht und Wetter geben es her, also hängen wir noch den Stuðlagil Canyon an. Eine kleine Wanderung auch hier, sehr lustig die Wanderer vor uns, die erfolglos versuchen, ein kleines Lämmchen der Familie wieder zuzuführen, irgendwie hat sie ein Zaun getrennt. Ohne dass wir die großen Schafexperten sind, sehen wir, dass das Unterfangen zum Scheitern verurteilt ist, so wie die es da angehen. So hektische Menschen wollen ein Tier einfangen? Never. Aber das nur am Rande.
Den Stuðlagil Canyon kann man von zwei Seiten her anfahren, 2022 sind wir den Jökuldalsvegur bis zum Parkplatz gefahren, da ist dann ne kleine Aussichtsplattform. Das ist der etwas einfachere Weg, der Canyon zeigt sich von oben. Von der Ostseite über den Klaustrusel-Parkplatz kommt man ganz gut an das Wasser ran, hat nochmal andere Perspektiven. Perspektiven auf das so wunderschön türkis schimmernde Wasser der Jökulsá á Brú und die markanten Basaltsäulen. (Komoot)
Basaltsäulen fallen auf. Immer. Aber warum eigentlich? Elegant, ästhetisch, gleichmäßig, oft sechseckig sind sie und wenn man mal schaut, haben ja nicht nur die Basalsäulen so markante Sechsecke, sondern auch Bienenwaben oder auch Schneeflocken. Oder schon mal beobachtet, wie sich Seifenblasen auf der Wasseroberfläche formieren, wenn es ganz ganz viele werden und der Platz langsam eng wird?
Rein funktional betrachtet ist das Sechseck eine effiziente und widerstandsfähig-verformungsstabile Geometrie, der Raum wird maximal ökonomisch ausgenutzt bei minimaler Verwendung von Material, die Zellen sind gleichmäßig verteilt, die Verbindung ist nahtlos. Soviel zur reinen Geometrie, die wir natürlich bewußt nutzen, weil wir sie kennen.
Oder auch nicht. Jedes Jahr beim Backen der Weihnachtskekse fällt es auf: ob Tannebaum, Stern oder Herz, selbst ein kreisrunder Mond hilft nicht weiter – immer bleibt Teig übrig. Den man wieder ausrollen kann, schon klar, aber es wird immer ein Rest bleiben. Als ich klein war, haben wir den Teigrest dann irgendwann gerollt und eine Brezel draus geformt. Sechsecke wären wohl effizienter gewesen. Aber ich hätte uns Kinder mal sehen wollen: immer wieder die gleiche Form? Wie langweilig! Kein Teigrest zum Naschen? Unmöglich! Keine Bauchschmerzen vom Teigrestnaschen? Irgendwie denn doch undenkbar!
Ob Algebra oder Geometrie, die Natur indes schert sich um die aufgeschriebenen Gesetze nicht, die macht einfach. Und das ist das Faszinierende, das Beeindruckende, letztlich auch das Beruhigende: die Natur ist der Chef, sie entwirft, sie entscheidet. Und manchmal dürfen wir dabei zuschauen. In Island ab und an live, wie auch beim Stuðlagil, wenn in diesem Falle auch der menschliche Eingriff der entscheidende Faktor war.
Doch der Reihe nach:
Sechseckige Basaltsäulen können entstehen, wenn Lava sich beim Abkühlen zusammenzieht. Dabei entstehen Risse und Spalten. Die Risse breiten sich senkrecht zu den Grenzflächen der Lavaströme aus. Unter bestimmten Umständen ziehen die Risse sich so zusammen, dass hexagonale Strukturen entstehen. Der entscheidende Bereich scheinen Temperaturen zwischen 840 und 890 Grad Celsius zu sein. Je langsamer die Lava abkühlt, desto gleichmäßiger sind die Säulen.
Und manchmal zerschneidet ein Fluss die Lavaströme und lässt so aufregende Basaltschluchten entstehen wie bei der Jökulsá á Brú.
Nur sind die Basaltsäulen hier lange Zeit einfach nicht zu sehen. Erst als man auf die Idee kommt, weiter südlich den Kárahnjúka-Staudamm zu bauen, um die Kraft der Gletscher zu nutzen und in dem Zusammenhang auch den Jökulsá á Brú aufstaut, treten flussabwärts die Basaltfelsen hervor. 2007 geht es als das größte Kraftwerk Islands ans Netz und ist bis heute arg umstritten. So sind mit dem aufgestauten Wasser Wasserfälle verschwunden, die Ablagerung von Sedimenten kann zum Problem werden und insgesamt werden die Auswirkungen auf die Umwelt, gerade vor dem Hintergrund des Vulkanismus, als kritisch eingeschätzt. Mit dem Canyon aber gibt es einen neuen Touristenmagneten. Die zwei Seiten der Medaille.
Wer noch mehr zum Thema Basaltsäulen lesen will, hier entlang.
Das Wetter ist deutlich besser, wir sind beruhigt. Allerdings hätten wir uns von der heutigen Tour wohl nur von schwerstem Regen und Wind abhalten lassen. Wir wollen nach Borgarfjörður Eystri zu den Puffins. Und die sind faszinierend bei jedem Wetter. Natürlich, ohne Regen is allemal besser.
Hier ein paar Facts:
- Puffins werden ca. 20 Jahre alt, der älteste bekannte schaffte es auf stattliche 36 Jahre
- 28 – 34 cm werden sie groß, die Flügelspannweite ist bei 50 – 60 cm, in etwa so groß wie eine Haustaube also
- Männchen wiegen im Mittel 391 g, Weibchen 361 g
- gehören tun sie zur Familie der Alkenvögel
Papageientaucher gehören zu den wenigen Vögeln, die in der Lage sind, mehrere kleine Fische kreuzweise in ihrem Schnabel zu tragen. Das verdanken sie einem einzigartigen Scharnier an ihrem Schnabel, das es ermöglicht, die obere und die untere Hälfte in verschiedenen Winkeln zu treffen, anstatt nur gerade nach oben zu schneiden. Die raue Zunge des Papageientauchers kann den Fisch am Gaumenrücken festhalten, während er seinen Schnabel öffnet, um weitere Fische zu fangen.
Ein Papageientaucher kann bis zu einer Minute lang tauchen, obwohl er im Allgemeinen nur etwa 30 Sekunden unter Wasser bleibt. Unter Wasser steuert er sich mit ausgestreckten Flügeln, so dass es fast so aussieht, als würde er fliegen, während seine Füße als Ruder dienen. Sie können bis zu 60 Meter tief tauchen. […]
Wenn ein Papageientaucher verärgert ist, bläht er sich auf, spreizt seine Flügel, öffnet seinen Schnabel und stampft mit den Füßen, um furchterregender zu wirken. Bei einem echten Kampf kreuzen die beiden Kontrahenten ihre Schnäbel und schlagen dann mit ihren Flügeln und Füßen aufeinander ein. […] Quelle
Irgendwann legen wir eine Pause ein, sozusagen Luft holen nach dem Fotomarathon, denn klar, die Speicherkarten glühen, die Reserveakkus sind fast aufgebraucht, die Serienaufnahme hat den einen oder anderen Puffin im Fluge eingefangen. Zeit für einen Kaffee.
Anschließend werden aus dem „lass mal noch mal schauen, vlt. so ne halbe Stunde noch“ zwei Stunden, auch weil sich ein Wal in der Bucht zeigt und den wollen wir natürlich auch noch so lang wie möglich sehen. Und die Pufflinge sind i-wie auch zu kurz gekommen, da muss doch noch was gehen.
Hätten wir vorgehabt, eine Walewatching Tour zu machen, dann hätten wir sie genau jetzt absagen können, ich denke, viel besser kann es schlicht nicht werden.
An unserer Bude empfängt uns wieder der kleine Goldregenpfeifer. Zart und leise fiept er vor sich hin, immer in sicherem Abstand zu uns. Dass noch ein Flüsschen zwischen uns ist, das wir sicher nicht überqueren wollen, scheint er nicht so ganz zu registrieren.
Bisschen Strecke haben wir vor uns, als erstes fahren wir zum Godafoss. Ich glaube, es macht kaum Sinn, die Wasserfälle Island irgendwie vergleichen zu wollen, jeder ist auf seine Weise beeindruckend und wunderschön. Ohnehin sind es zu viele. Abgesehen von der Wucht und der Anmut steht der Godafoss für den Übergang zum Christentum.
Zur Zeit der Besiedlung im 9. und 10. Jhdt. hängen die Siedler mehrheitlich der altnordischen Religion an und verehren Gottheiten wie Thor, Odin, Loki oder Freya. Eine Konvertierung zum Christentum steht im Raum und wird intensiv diskutiert.
Der damalige Gesetzessprecher Thorgeir Ljosvetningagodi muss eine Entscheidung treffen, er sagt, dass zum Wohle des Volkes das Christentum die offizielle Religion sein werde, die Heiden aber privat ihren Glauben praktizieren könnten.
Die Götzen der alten Götter in den Wasserfall zu werfen ist der symbolische Vollzug.
Und einmal mittendrin in der Myvatn-Region geht’s weiter über die Skútustaðagígar-Pseudokrater. Entstanden vor ca. 2.500 Jahren, als Lava über die Gegend strömt und gigantische Explosionen auslöst.
Wenn heiße Lava über ein Feuchtgebiet strömt, wobei es sich um Sümpfe, aber auch um Seen oder Teiche handeln kann, verdampft das Wasser schlagartig. Der Dampf durchbricht die Lavadecke in einer phreatomagmatischen Explosion. Dabei wird die Lava, und teilweise auch das Untergrundmaterial, fragmentiert und als Tephra um einen Krater aufgeworfen.
Das entstandene Gebilde gleicht einem echten Vulkankrater, das im Englischen auch die Bezeichnung rootless cone (wurzelloser Kegel) trägt. Es hat sozusagen keine Wurzel, also keine direkte Magmazuleitung aus dem Erdinneren.
Die Entstehung von Pseudokratern konnte das erste Mal in der Geschichte am 25. März 2010 beim Ausbruch des Eyjafjallajökull 2010 direkt beobachtet werden. Quelle
Das Bild ist jetzt weder von mir noch von Rocky. Die Drohne hier steigen zu lassen war einerseits nicht erlaubt, andererseits hätten wir ohnehin drauf verzichtet angesichts der Vögelchen hier. Also ne Postkarte. Die wiederum zeigt das Gebiet mit den Pseudokratern exzellent. Zur Quellenangabe: Foto ist von Pálmi Guðmundsson, published by www.demantskort.is, Nr. 1238 B.
Neben dem Weg durch die Psedokrater lässt sich noch eine spannende Runde entlang der südlichen Myvatn-Seen drehen, die halten neben Eistauchern, Reiherenten, Küstenseeschwalben noch einige andere Exemplare der Vogelwelt bereit. Schwer spannend. (Komoot)
Schwer spannend ist auch Dimmu Borgir. Einen ersten Geschmack bekommen wir beim Zwischenstopp am Myvatn. Bizarre Lavafelsen an und im Wasser, der Anblick ist so fremd, so bizarr, so mysteriös, so faszinierend. Dimmu Borgir steht dem in nichts nach, kein Wunder, gehen die Lavabrocken hier alle auf den gleichen Ursprung zurück. Das Faszinierende an Dimmu Borgir ist, dass sich neben den Brocken im Laufe der Zeit ein kleines Wäldchen gewachsen ist. Kein Wäldchen mit Bäumen wie man sie aus dem Harz kennt oder kannte, so leicht haben es Bäume hier nicht, die haben einen beständigen Kampf mit den Elementen auszukämpfen. Dementsprechend sind sie eher klein und so sehr gerade sind sie auch nicht.
„Was macht man, wenn man sich in Island im Wald verläuft? Man steht auf.“
Island ist für eins ganz sicher nicht bekannt, seine Wälder. Auch wenn viele Touristen das Land wegen seiner unberührten Natur besuchen, geht es dabei viel mehr um Wasserfälle, Gletscher, Vulkane und schwarze Strände. Den meisten Touristen fällt vermutlich zunächst gar nicht auf, dass es quasi keine Bäume und keinen Wald gibt. Warum denn auch?
Und wenn man dann einmal einem Baum begegnet, erkennt man diesen vermutlich nicht mal als einen. Zur Erklärung des Witzes: Die heimische Baumart ist die sogenannt Moorbirke, die häufig aber auch Zwergbirke genannt wird. Diese erreicht auf Island häufig nur Buschgröße, was auf schlechte Wachstumsbedingungen zurückzuführen ist. Trotz der geringen Wuchshöhe wird eine Ansammlung dieser Birkenbüsche auf Island als Wald bezeichnet.
Aber nicht nur die schlechten Wachstumsbedingungen (Klima, Boden, Topographie) sind für die geringe Waldverbreitung in Island verantwortlich. Island wurde im Jahr 874 n. Chr. von Norwegern besiedelt. Vor der Besiedelung galten 40% der Landesfläche als bewaldet. Die starke Entwaldung ist eine direkte Folge der Besiedlung. Der Verbrauch an Holz war so groß, dass Bäume nicht schnell genug nachwachsen konnten. Schon bald war das ganze Land, bis auf einzelne Reservoirs, vollständig entwaldet. Nur Aufforstungsprogramme in den letzten hundert Jahren sind der Grund, warum heute 1,9% der Landesoberfläche mit Wald bedeckt sind. Quelle
Die Stars indes sind denn doch die wuchtigen Lavaklumpen, die hier rumliegen und die Fantasie aufs Feinste anregen. Dass Dimmu Borgir als Heimat vom Elfen und Trollen gilt, dass Lavaformationen an Kirchen oder Burgen erinnern ist glaub ich nachvollziehbar. Dimmu Borgir heißt denn auch ‚Dunkle Burg‘. Teile vom Game of Thrones wurden hier gedreht, Dimmu Borgir spielt feinsten, sehr zur Gegend passenden Black Metal.
Vor über 2.300 Jahren ergießen sich Lavamassen aus den Vulkanketten Þrengslaborgir und Lúdentsborgir und überfluteten das Sumpf- und Seengebiet Mývatn. Die Wassermassen unter der Lava fangen an zu kochen, es bilden sich riesige, bis zu 10 Meter hohe und mehrere Meter breite Krater, durch die der Wasserdampf entschwindet. Auch hier also Explosionen vom Feinsten, nur sehen die Ergebnisse etwas anders aus als kurz zuvor bei den Pseudokratern.
Zurück mit Lachs und Lavabrot im Gepäck. Lecker:-)
Unsere Tour zum Dettifoss steht an. Wir nehmen die Ostseite, die Piste dahin lässt sich nicht so doll fahren, aber das nehmen wir in Kauf. Ärgerlich ist lediglich, dass es doch arg verregnet ist. Die Wucht und die unmittelbare Nähe zu den sich hinabstürzenden Wassermassen entschädigen aber allemal. Wahnsinn dieser Wasserfall.
Weiter zum Ásbyrgi Canyon, das hatte ich bisher nicht geschafft. Ein faszinierendes Stückchen Erde mit einem kleinen Wäldchen, einem kleinen See und ein paar ganz spannenden Vögelchen. Nach geologischen Forschungen haben drei besonders starke Gletscherläufe (große Mengen Schmelzwasser brechen plötzlich aus) der Schlucht diese ungewöhnliche Hufeisenform verliehen. Verantwortlich sind Ausbrüche der Vulkane Kverkfjöll oder Bárðarbunga, beide gehören zum Vatnajökull. Der erste Ausbruch fand vor 4000, zwei weitere 3000 bzw. 2500 Jahren statt. Vor 2000 Jahren verlagerte sich der Jökulsá á Fjöllum dann nach Osten und hinterließ die hufeisenförmige Schlucht Ásbyrgi.
Außerdem existiert hier ein für Island eher seltenes Mischwäldchen (v. a. Birken, Weiden, Ebereschen und auch Fichten) mit Bäumen, die teilweise über acht Meter hoch reichen. Diese konnten sich aufgrund der geschützten Lage im Inneren der Schlucht sehr gut entwickeln. Dies macht Ásbyrgi auch zu einem Anziehungspunkt für Isländer, da diese gerne bewaldete Urlaubsgebiete besuchen.[…]
In den vergangenen Jahren wurde eine weitere Theorie hervorgebracht, die besagt, dass Ásbyrgi unter dem Gletschereis der letzten Eiszeit geformt wurde. Diese Theorie wird von Gletscherschliffspuren (Detersion oder Kritzung) gestützt, die mit der Bewegung von Gletschern assoziiert werden. Katastrophale Gletscherläufe, wie oben skizziert, hätten diese Spuren mit großer Wahrscheinlichkeit weggewaschen. Quelle
Es kann aber auch sein, dass Odin mit seinem achtbeinigen Pferd Sleipnir hier seine Spuren hinterlassen hat, immerhin erinnert die Form von Ásbyrgi sehr an eines seiner Hufe. (Komoot)
Die nächste Wanderung direkt in der Nähe führt uns nach Rauðhólar.
Vor ca. 8.000 Jahren reißt quer zum Flussbett des Jökulsá eine Spalte auf, glühendes Gestein quillt hervor, trifft auf Wasser und produziert heftige Explosionen. Das Zusammentreffen von Feuer, Gasen und Wasser und die daraus resultierenden Eruptionen zerreißen die Berge der Umgebung teilweise regelrecht. Irgendwann legt sich die Aufregung, das Magma fließt ruhiger und kann nun langsam erstarren. Basaltformationen und -Säulen entstehen.
Wir sind im Jökulsárgljúfur-Nationalpark, der sich westlich des Flusses Jökulsá á Fjöllum von Ásbyrgi im Norden bis zum Dettifoss im Süden erstreckt. Die Wanderung beginnt recht harmlos durch viel Grün und führt entlang eben dieser Basaltfelsen. Aber sie hat es zunehmend in sich, das bizarre Schluchten- und Gesteinssystem und die markanten vulkanischen Berge fordern Körper und Konzentration. Aber wir werden mit unzähligen Fotomotiven mehr als reich entschädigt. (Komoot)
Zum Abschluss zum Vulkan Námafjall mit dem Geothermalgebiet Hverarönd. Weithin sichtbar aufgrund des Farbspektrums, vor Ort wird dann der Geruchsnerv gekitzelt, es ist eine herausragende Erfahrung.
480 Meter hoch ist der Námafjall – ein aktiver Vulkan mit unzähligen Solfataren, Schlammtöpfen und Fumarolen. Bis ins 18. Jahrhundert wird hier Schwefel abgebaut. Weiße Dampfsäulen zischen, Schlammquellen blubbern und brodeln, Schwefelgeruch liegt in der Luft. Faszinierend und unwirklich ist es hier.
Den Mjóifjörður haben wir uns noch aufgehoben, ganz bewußt, denn genau der und der benachbarte Seyðisfjörður sollen doch erst mal zur Ruhe kommen und besseres Wetter versprechen, gerade der Seyðisfjörður zeigt sich ja bei unserer Ankunft eher wettergarstig. Sollen sie halt warten auf unsere Aufmerksamkeit bis das Wetter wieder halbwegs stimmt.
Und heute ist es so, der Weg zum Mjóifjörður ist exzellent, eine Schotterpiste zwar, aber feinste Wasserfällchen links und rechts und der Weg in einen ablegenen, aber genau deswegen vielversprechenden Fjord vor Augen. Der Weg geht über in eine weit geschwungene Serpentinenstraße und als wir denken, dass wir nun bald den Höhepunkt – den Fjord – erreichen, fordert ein anderer Höhepunkt nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern einen unbedingten Zwischenstopp: der Klifbrekkufossar. In mehreren Kaskaden windet er sich herunter ins Tal, äußerst fotogen und mit der Möglichkeit, recht nahe heranzukommen. Ganz nach oben geht nicht, das wäre halsbrecherisch gewesen, wir begnügen uns mit dem Blick auf die Kaskaden.
Und freuen uns, dass im Osten Islands insgesamt weniger los ist als im Westen, wo der Flughafen in der Nähe ist. Hier im Fjord ist dann gleich noch weniger los. Insgesamt nimmt einen die unmittelbare Ecke um den Fossar sehr mit, ein feines Stückchen Island.
Später noch der Prestagilfoss, mit 160 m der vierthöchste Wasserfall Islands. Da haben wir das Panorama auf den Mjóifjörður schon in der ganzen Breite und können uns mitnehmen lassen auf die emotionale Fahrt in diesen ruhigen, wunderschönen, bizarr-entrückten Fjord.
Das sind die Enten mit ihren Küken, da ist das unberührte Wrack der US Navy LCM, da sind die Austernfischer oder der Rotschenkel. Hätten wir uns noch mehr Zeit gelassen, wären uns ganz sicher noch andere Vögel vor die Linse gekommen.
Auf dem Weg zurück genießen wir noch einmal den Fjord und die Serpentinenstraße. Träumchen.
Um dann weiter in den Nachbarfjord zu fahren, der so anders ist und im Vergleich geradezu wild daherkommt. Die Sonne wirkt, der Seyðisfjörður will mit Gufufoss und Udafoss beeindrucken. Und er schafft es. Er ist breiter als der Mjóifjörður, die Wasserfälle spielen gar nicht so die Rolle, sondern der Fluss, der ihnen Struktur gibt, der sich den Fjord hinabarbeitet und der maßgeblich für den Fjord verantwortlich ist. Jahrtausende währende Konstanz, wir können sie bewundern, springen von Furt zu Furt, beobachten die Wasserfälle, bewundern die Kaskaden.
Der Komoot-Mitschnitt suggeriert vielleicht eine Wanderung. Was es nicht war, nicht im klassischen Sinne. Wir haben einen Ausgangspunkt am Gufufoss, der Rest ergibt sich aus Neugier, Flusslauf und der Lust an Fotomotiven. Das treibt uns fluss- und fjordabwärts und hätte so weitergehen können bis zur Seyðisfjarðarkirkja tief unten im Fjord.
Wir haben noch Pläne, also bewegen wir das Auto bis hin zur Kirche und später zum Vinbudin und selbstverständlich ist die Seyðisfjarðarkirkja Star des Dorfes. Immer wieder aber muss sie den Ruhm abtreten an die Norröna, denn dann beherrscht sie den Fjord, den Ort und diktiert das Geschehen. Zwei Mal durfte ich nun dabei sein, und die Mischung aus Abschied von der Insel, gespanntem Warten auf das Auffahren und Abfahrt ist schwer zu beschreiben. Melancholie trifft Vorfreude, so ungefähr, Vorfreude auf die Norröna, die mehr ist als ein Schiff, mehr ist als eine Fähre.
23.07.: Für die heutige Tour heißt es früh aufstehen, richtig früh. Sechs Uhr ist für den Urlaub schon arg, aber wir haben Strecke vor uns. Aber Kaffee, Skyr und Sigur Rós helfen beim Wachwerden. Anschließend die Ringstraße 1 bis zur Abzweigung zur 917, wir haben uns für den Weg entschieden, wohl wissend, dass die Straße weder befestigt und schon gar nicht asphaltiert ist. Aber die Aussicht auf den Hlíðarvegur-Pass, den Heradhssandur-Strand mit Mündungen von Lagarfljót und Jökulsá á Brú sind zu verlockend. Zuerst mäandert sich die Straße den Berg hinauf, dann haben wir den unfassbaren Blick auf die zum Meer mäandernden Flüsse. Ein Panorama der Extraklasse früh am Morgen. Die Straße lässt sich übrigens ganz passabel fahren, deutlich besser als erwartet.
Weiter geht‘s über Vopnafjörður und Þórshöfn, unser Ziel ist die Halbinsel Rauðanes. Kleine Wanderung haben wir uns zurechtgelegt. Doch was heißt klein, es wird eine körperlich nicht allzu herausfordernde, kurze, aber die Sinne geradezu überfordernde Wanderung. Ein Naturjuwel auf knapp acht Kilometern. Hohe, senkrechte Klippen, bizarre, einzigartige Felsstrukturen vor der Küste und jede Menge Vögel. Los geht’s mit dem Alpenstrandläufer.
Der erste Felsen schiebt sich ins Bild, die ersten Papageitaucher. Möwen ziehen ihre Jungen groß, Enten schwimmen auf dem Wasser. So geht’s weiter. Mal gleichen die Felsen Torbögen, mal scheint‘s ein Elefantenrüssel zu sein, mal legt ein Riesenloch im Boden die tief unten liegenden Felsstrukturen frei. Und immer wieder Papageitaucher. Dem Paradies ganz nahe, vielleicht auch schon mittendrin.
Die Wanderung bekommt eine klare Eins. Mit Sternchen. (Komoot)
Wir müssen uns gegenseitig immer wieder mal drauf hinweisen, dass wir auch noch bissel Weg und Programm vor uns haben, zu bezaubernd ist das alles und fordert geradezu, gerade bei dem Wetter, mehrfach und immerwiederkehrend abgelichtet zu werden. Was wir eben auch immer wieder tun und dabei umgehend jeweils die Zeit vergessen. So entstehen zwar jede Menge Bilder, aber es geht auch jede Menge Zeit von der Uhr. Ich denke, das beschreibt die Magie dieser Ecke recht gut.
Anschließend weiter nach Raufarhöfn. Zwei Kilometer sind’s noch bis zum Polarkreis von hier aus. Ein Hotspot für Polarlichter. Die wir natürlich aktuell nicht sehen können und dementsprechend auch nicht jagen. Nicht heute. Aber wer weiß, die Möglichkeit, dass es uns im Winter hierher verschlägt, würde ich nicht ausschließen wollen.
Das Ziel für heute sind Arctic Henge und Kalman. Wobei Kalman sozusagen nur ein Stück Literatur ist, ein gutes allerdings, eine Homage an die Stadt Raufarhöfn. Mit großer Freude habe ich „Kalman“ und „Kalman und der schlafende Berg“ von Joachim B. Schmidt gelesen. Klare Empfehlung.
Das Arctic Henge hingegen ist sehr real und recht cool und fotogen. Erlingur B. Thoroddsen hat es entworfen und errichtet: konzipiert als riesige Sonnenuhr, welche das Sonnenlicht einfängt und mit den Schatten spielt.
Mehrere große Steinbögen harmonieren mit dem Himmel, mindestens mit den Himmelsrichtungen. Beeindruckend ist es bereits jetzt, grundsätzlich sind noch Ausbauten geplant, aber fürs erste ist das Geld ausgegangen, so dass der 2004 begonnene Bau seit 2015 steht.
Auf Rauðinúpur verzichten wir schweren Herzens, das wäre noch mal ne Stunde reine Fahrzeit, allerdings können wir weder die tatsächliche Beschaffenheit der Schotterpiste einschätzen, noch, welche Punkte uns auf der Strecke zum Anhalten und Fotografieren animieren mögen. Schöne Zeitfresser zwar, aber Zeitfresser eben. Und ohne kleine Wanderung da oben macht das keinen Sinn. Insgesamt würde es einfach zu spät werden. Kópasker strönd passt leider auch nicht mehr. Schade, aber wat willste machen.
Immerhin führt uns der Rückweg noch entlang der Westseite des Dettifoss, das nehmen wir dann noch mit, schon aufgrund des heute deutlich besseren Wetters genau die richtige Entscheidung. Äußerst fotogenes Teil.
Der Gletscherfluß Jökulsá á Fjöllum (Gletscherfluß aus den Bergen) entwässert den nordöstlichen Teil Islands. Mit einer Länge von 206 km ist die Jökulsá der zweitlängste Fluß des Landes. Der Fluß entspringt am Nordrand des Gletschers Vatnajökull und entwässert auch die Eisabflüsse der Gletscherzungen Dyngjujökull und Brúarjökull. Während der ersten 150 km fließt das Wasser eher gemächlich nach Norden. Pro Flußkilometer ist im Schnitt lediglich ein Gefälle von einem halben Meter zur verzeichnen. Im Oberlauf bildet die Jökulsá ausgeprägte Mäander und Schwemmebenen.
Mit dem 12 m hohen Selfoss beginnt dann der Absturz in den Canyon. Die zweite Fallstufe bildet der Dettifoss. Das Gletscherwasser stürzt auf einer Breite von rund 100m über 44m in eine Schlucht. Im Sommer liegt die Wassermenge bei 1500 Kubikmetern pro Sekunde. Damit ist der Dettifoss einer der wasserreichsten Wasserfälle Europas.
Neben dem Schmelzwasser führt der Fluß auch große Mengen an Geröll mit. Pro Tag werden rund 120.000 t Geröll, Gestein, Sand und Schlamm transportiert, was etwa 2g pro Liter entspricht. Der Transport geschieht in Form von Schwebfracht (kleine Partikel) oder als Gerölltrieb, bei dem die Partikel in Wirbeln durch das Wasser bewegt werden. Sie stoßen dabei immer wieder auf den Boden und prallen zurück. Die Gesteinspartikel runden sich dabei ab, tragen aber auch besonders stark zur Erosion bei.
Würde man das täglich transportierte Geröll auf einem Güterzug verladen, bräuchte man 2.400 Waggons. Das mitgeführte Geröll übt eine starke Erosionskraft aus und trägt zur Vertiefung der Schlucht und zur Wanderung der Wasserfälle bei. Im Bereich des Dettifoss wandert die Fallkante pro Jahr etwa einen halben Meter bis einen Meter flußaufwärts. Quelle
Der vorletzte Tag in Island steht noch einmal ganz im Zeichen der Puffins. Nochmal hoch nach Borgarfjörður Eystri. Der erste Tag war schon schwer faszinierend, natürlich. Aber von den lustigen kleinen Vögeln können wir einfach nicht genug bekommen. Zudem hoffen wir auf ein paar Pufflinge, die waren vor drei Tagen schon recht weit, einer hat sich auch kurz gezeigt, vielleicht sind sie heute ja schon soweit, ihre Höhlen zu verlassen?
Grundsätzlich ist die Gegend um Bakkagerði auch eine schöne Wandergegend, aber es waren keine Übernachtungen zu finden, sonst wären da sicher paar Kilometer auf die Uhr gekommen.
So sind’s dann eben die Puffins. Stunde um Stunde vergeht ohne dass wir wirklich merken, wie lange wir hier sind. Immer wieder eine neue Perspektive, pausenlos sind die Vögel unterwegs, um nach Nahrung zu tauchen und den Nachwuchs zu versorgen. Und genau der tut uns auch den Gefallen, sich außerhalb des einen oder anderen Nestes zu zeigen. Glücksmomente für uns, Glücksmomente aber auch für die stolzen Eltern.
Bei einem Zwischenkaffee überlegen wir, wie es weiter gehen soll, aber eigentlich ist es klar: noch so ein, zwei Stunden bei den Puffins, irgendwann zurück, Skyr und Lakritz für daheim kaufen und dann Sachen packen, die Norröna startet am nächsten Tag.
Die Puffins auf dem Wasser haben nochmal ihre eigene Faszination, aber – ganz ehrlich – die hier auf dem Wasser werden vom plötzlich wieder auftauchenden Wal denn doch ein bisschen in den Schatten gestellt. Minutenlang erfreuen wir uns an dem Wal hier in der Bucht und natürlich ist es top, dass wir für den Wal nicht mal eine teure Walewatching-Tour brauchen. Das Glück kann so vollkommen sein.
Papageientaucher schlagen beim Fliegen bis zu 400 Mal pro Minute mit den Flügeln, so dass die Flügel verschwimmen. Sie können eine Fluggeschwindigkeit von fast 90 km pro Stunde erreichen. […]
Papageientaucher werden im Alter von 4 oder 5 Jahren geschlechtsreif. Der berühmte leuchtende Schnabel der Papageientaucher kommt während der Brutzeit (April bis August) zum Einsatz und wird nach der Saison abgeworfen, so dass der stumpfe „echte“ Schnabel darunter zum Vorschein kommt.
Einmal gepaart, bleiben Papageientaucher in der Regel ein Leben lang mit demselben Partner zusammen und kehren für die folgenden Paarungszeiten in die gemeinsam gegrabene Höhle zurück. Die Höhlen werden in weiche Erde gegraben oder aus bereits vorhandenen Löchern in felsigen Küstenbereichen gebaut. In einigen Fällen sind Papageientaucher dafür bekannt, dass sie Kaninchenhöhlen in Beschlag nehmen. […]
Papageientaucher legen ein Ei. Wenn dieses erste Ei früh genug in der Brutsaison verloren geht, produziert ein Paar manchmal ein weiteres. Die Eier sind weiß, und beide Elternteile bebrüten sie abwechselnd mit ihrem Brutfleck – einem Fleck federloser Haut auf ihrer Unterseite, der die Wärmeübertragung ermöglicht.
Das Ei schlüpft zwischen 36 und 45 Tagen. Die Eltern fliegen dann abwechselnd aus, um mehrere Fische zu fangen, […] Papageientaucher gehören zu den wenigen Vögeln, die ihre Nahrung im Ganzen zurückbringen, anstatt sie zu fressen und dann in das Maul des Babys wiederzuwürgen.
Nach 34 bis 60 Tagen kann das Jungtier den Bau endlich verlassen. Quelle
Und schon sind wir wieder auf der Norröna. Zwei Tage auf dem Nordatlantik warten auf uns. Jetzt könnte man meinen, dass da i-wann Langeweile aufkommt. Is aber nicht, es gibt Beschäftigungsmöglichkeiten, den Duty Free und vor allem das Deck bei bestem Wetter. Die Färöer kriegen wir i-wie nicht mit, aber die werden auch nachts angesteuert. Aber die Shetlands bringen nicht nur zusätzliche Abwechslung, sondern auch für zwei drei Stunden das WiFi. Klar, das hätten wir auch zubuchen können auf der Fähre, aber braucht’s das wirklich? Eher nein, es ist auch ganz angenehm, mal komplett drauf zu verzichten.
So kommen wir am 27.07. wieder in Hirtshals an, paar Stunden gen Braunschweig liegen noch vor uns, aber das gehört halt dazu und tut der Faszination der Reise ja keinen Abbruch.