2020 ging ja bis auf einen kurzen Zeitraum im Sommer nicht viel, schon gar nicht Portugal im Frühjahr. Und 2021 beginnt mindestens genauso schwierig, die Lage normalisiert sich irgendwann, so dass wir uns an das Abenteuer Herbsturlaub wagen. Am Ende fällt die Wahl auf Zingst, leider leider nunmehr ohne Regina.
Nach der Anreise (ich hole Amira aus Berlin ab, Armin und Eva fahren aus Braunschweig hoch) noch kurz an den Strand, dann noch Essen, so ist der erste Tag auch schon rum, aber so sind sie, die Anreisetage.
So richtig starten wir also am nächsten Tag, fahren ins Künstlerdorf Ahrenshoop. Und haben die perfekte Kombination aus bestem Strandabschnitt mit zugehörigem Wetter und dem Dorf mit verschiedenen Highlights. Starker Auftakt bei starkem Herbstwetter, das wir vor allem am entzückenden Strand genießen.
Abends – Armin und ich können i-wie noch nicht genug bekommen – schnappen wir uns die Fahrräder und radeln zur Meinigenbrücke. Grandios zeigt sie sich im herbstlich-abendlichen Sonnenschein. Entlang der Strecke stehen hunderte und schauen erwartungsvoll auf den Zingster Strom. Wir dann i-wann auch, aber wie alle andren sehen wir die abendlich hereinziehenden Kraniche nur aus ziemlicher Entfernung, aus der Nähe zeigen wollen sie sich nicht.
Anschließend lecker Essen im Klabautermann, aber um 21:00 ist hier so langsam Schluss, ähnlich wie im Restaurant gestern. Scheint so, als ob die Leute hier nach spätestens 22:00 nicht mehr unterwegs sind, was sich die nächsten Tage bestätigen wird. Ist halt ein Urlaubsort v.a. für Familien.
Einen Tag später starten wir eine Radtour durch die Sundischen Wiesen. Fahrräder zu leihen geht ruck zuck und unkompliziert. Der Tourbeginn ist wenig verheißungsvoll, noch bevor wir richtig gestartet sind, erwischt uns in Zingst ein Regenschauer vom Feinsten. Der sich als massiver entpuppt als angenommen und im Regenradar zu sehen. Merke: Wetter-App und Regenradar sind gut und nützlich, das Wetter an der Küste indes hält sich nicht zwingend daran.
Nach einer halben Stunde dann endlich der Start zu unserer Rundtour. Spannend und schön, auch wenn an Pramort die Vögel nur sehr weit weg und die erhofften Kraniche so gar nicht nahe sind. Später noch eine Kurzwanderung zur Düne. Der Rückweg ist zumindest auf der Deichkante eine echte Herausforderung, der Wind steht uns entgegen und vermischt sich mit sehr unangenehmen Regen. Beides waagerecht auf uns drauf. Keine gute Mischung, jetzt gilt es zu beißen bis zum Schlösschen Sundische Wiese.
Kaffee, Kuchen, Bockwurst, Eis – alles geht, Hauptsache Pause vom Regen, Energie und Hoffnung auf ein Zeitfenster ohne Regen. Es sind nur noch zehn Kilometer. Und die spulen wir dann zum Glück recht schnell ab, kaum mehr Regen, kaum mehr Wind.
Ein gutes Essen haben wir uns so mehr als verdient, also bereiten wir es uns doch gleich selbst zu. Risotto geht ja immer, das Fleisch wird bissel trocken.
Auf nach Stralsund. Die alte Hansestadt mit dem markanten Rathaus wartet. Nebendran ist die Nikolaikirche. Es lebe die norddeutsche Backsteingotik, schön anzuschauen und eben prägend. Man findet sie so oft im Norden, eines der verbindenden Elemente der Hansestädte, wenngleich natürlich der Handel um ein Vielfaches wichtiger und verbindender war. Aber der Wiedererkennungswert zählt ja auch.
Stralsund mag heute nicht mehr die Bedeutung haben, wie die Hanse die Stadt geprägt hat sieht man indes recht klar. Hafen – Handel – Hanse. Wir streifen die Stadtmauer und lassen uns zum Hafen treiben, wo lecker Fischbrötchen auf uns warten, vor allem aber das Ozeaneum.
Das ist einfach faszinierend und hat keinerlei Ähnlichkeit mit irgendeinem Sea-Life-Center, wie ich zunächst angenommen habe. Verschiedene Themenbereiche: Ostsee, Nordsee, Atlantik. Informativ und anschaulich. Unzählige Aquarien, von klein bis groß und den unterschiedlichsten Themen und Tierchen gewidmet. Klein für Garnele und Seepferdchen, groß für Seehase und Anglerfisch, riesig für Rochen und Glatthai. Und dazwischen immer auch das ganze andere Programm: von Aal bis Zander.
An Schiffsmodellen hat auch keiner gespart und auf einer kleinen Freifläche sind niedliche Pinguine, die sich – Showstars die sie sind – auch entsprechend in Positur stellen.
Ein weiteres, abschließendes Highlight haben wir uns anschließend ausgesucht und aufgehoben. Theater Stralsund, mit knapp 500 Plätzen ein eher kleineres Theater, hält Chöre bereit. Die starten nicht nur ohne orchestrale Begleitung, die starten komplett a capella. Is jetzt bissel überraschend, aber es wird, das Programm ist rund und später kommt das Piano hinzu. Ein kurzweiliger Abend.
Der folgende Tag will sich so gar nicht freundlich zeigen. Grau ist alles, es nieselt und regnet und regnet und nieselt. Auf Abschnitte zwischen den Regenfeldern müssen wir lange lange warten. Endlich, um 14:00, scheint der Regen vorbei, was wir (Armin und ich) zu einer ausgedehnten Radtour nutzen. Zunächst zur Meiningenbrücke, dann entlang der alten Bahnstrecke gen Barth. Von da über Kenz wieder zurück. Es wird eine eher unterdurchschnittliche Tour, eigentlich nur bewältigt durch den Willen. Nach der alten Bahnstrecke so gut wie keine Highlights mehr zu sehen weil bedeckt und grau und viel entlang der Landstraße und pünktlich nach der Bahnstrecke setzt der Regen wieder ein und begleitet uns fortan mit nervtötender Intensität.
Wir erreichen Bahnstrecke und Brücke nach einer Rundtour wieder, ich schieße ein paar Fotos im Regen und ab geht es zurück in die Wohnung unter die Dusche.
Besagte Brücke überquert den Meinigenstrom, die Verbindung zwischen dem Zingster Strom in dem Bodstedter Bodden. Lange Zeit ist sie Teil der Darßbahn. 1908 begonnen, wird sie am 1. Dezember 1910 fertiggestellt.
1947 fährt der vorerst letzte Zug über die Brücke, die Gleise von Prerow bis Bresewitz sind Reparationsleistungen für die Sowjetunion. 1960 erfolgt der Wiederaufbau. Seit 1990 fährt hier keine Bahn mehr, die Gleise zwischen Prerow und der Meinigenbrücke sind abgebaut, zwischen Barth und der Meiningenbrücke und liegen noch Gleise, rosten aber eher vor sich hin.
Amira und Eva haben es etwas intelligenter angestellt, kaufen erst den Fisch für den Abend und ziehen dann los zu einer kleinen aber feinen Tour zwischen Seebrücke, Strand und Bodden. Mit erträglichem Regenanteil.
Der Tag hat also noch eine Wendung genommen, alle haben sich entsprechend bewegt und nun steht das Essen auf dem Plan. Armins Risotto-Erstlingswerk gelingt überragend, der Fisch begleitet das Risotto, der Star des Abends indes leuchtet zitro-safrangelb. Stolz und Zufriedenheit mit dem Essen gehen einher mit der Freude auf den Nachtisch: Eis geht ja immer, aber mit heißen Himbeeren erst recht.
So kann der nächste Tag kommen. Warnemünde ist unser erstes Tagesziel. Der riesige Strand, das Hotel Neptun, der Teepott mit dem kleinen Leuchtturm. Paar Geschichten aus einer Zeit, als das Neptun noch ein Hotel war, in das man nicht so einfach hineinkam, kurze Recherche, warum der Teepott denn nun so heißt (weil an gleicher Stelle seit den 20ern ein Teepavillon stand, der recht schnell nur noch Teepott genannt wurde) und schon zieht es uns an die Mole. Ein- und ausfahrenden Schiffen zuzuschauen könnte zu einer Tagesbeschäftigung werden so faszinierend ist es, aber wir haben ja noch Termine. Also noch ein Spaziergang die Mole am alten Strom runter, um dann ein wenig entfernt das Schifffahrtsmuseum anzusteuern.
Die MS Dresden sagt von sich, das größte schwimmende Museum in Deutschland zu sein, spannend ist es. Viele Schiffsmodelle, viel Geschichte, insbesondere zur Seefahrtsgeschichte der DDR. Es klingt ein wenig sonderbar, dass die DDR eine bedeutende Seefahrernation war, war aber so. Es war ein Weg zu internationaler Anerkennung.
Zum Abschluss wartet im Barocksaal Rostock ein Abend mit Gershwin auf uns. Barbara Auer und Sebastian Knauer bringen im Rahmen der 6. jüdischen Kulturtage Geschichte und Musik von Gershwin zum Vortrag. Schwer beeindruckend wird’s. Barbara Auers angenehme Stimme und guter Vortrag perfekt harmonierend mit Knauer am Klavier, der Gershwin atemberaubend zu Gehör bringt. Begeisternder Abend.
Heut, also einen Tag weiter, versprechen die Prognosen wenig bis gar kein Regen bei – möglicherweise – Sonne. Lässt sich ja nie so ganz genau sagen an der Küste. Wir haben Glück mit dem Wetter und leihen uns die entsprechenden Bikes in Prerow. Armin kommt mit eigenem Bike pünktlich aus Zingst angeradelt und ab geht es. Eigentlich.
Aber so richtig voran geht es erst mal so gar nicht. Dass viele viele den Leuchtturm von Prerow als Ziel haben, ist logisch, dass sooo viele unterwegs sind und wahlweise mit ihren Fahrrädern nicht umgehen können, stumpf im Wege sind oder ihre blöden Köter durch die Gegend schleppen müssen, die dann natürlich noch mehr im Wege sind, ist schon extrem anstrengend. Die ersten zehn Kilometer unserer Tour kann ich nur sehr schwer ertragen.
Irgendwann sind wir am Leuchtturm und ab da wird es dann auch langsam gut. Zunächst rauf auf das alte Dingen die grandiose Atmosphäre da oben und vor allem die Rundumsicht genießen. Erzählen is nich, der Wind pfeift hier so dermaßen laut. Aber – und das ist zumindest für mich die erste Erholung – die Anzahl der Menschen reduziert sich endlich rapide.
Die kleine Fotoausstellung und die kleinen Aquarien mit den Minischollen noch mitgenommen und weiter geht’s zum nächsten Strandabschnitt, im Wind wie voriger auch, nur mit deutlich weniger Menschen. Ich verliebe mich spontan.
Wir lassen uns gegenseitig die Zeit hier am Strand, gerade in diesem Moment will mir scheinen, dass es einer der schönsten Strände der Ostsee ist, um abzuschalten, Ruhe zu tanken, Weite zu genießen.
Später geht es weiter mit dem Rad durch den Darßer Urwald. In Wieck eine kurze Pause mit Kaffee, dann die letzten Kilometer bis Prerow.
Highlight des Abends sind Armins Spagetthi Bolognese. Nebenbei werfen wir einen Blick aufs Wetter des Folgetages – und der lässt nichts Gutes erahnen. Von Regen und – viel schlimmer – Sturm- oder Orkanböen ist die Rede.
Dennoch, aufgestanden wird um 7:00, denn wir wollen um 9:00 mit der Fähre nach Hiddensee. Ein letzter Check der E-Mails, auf geht’s zum Hafen. Wo uns der Käptn davon unterrichtet, dass das Schiff gerade heute nicht auslaufen wird. Ärgerlich an der ganzen Geschichte ist, dass die Absage von der Reederei erst kommt, als wir uns schon lange aus dem Bett gequält haben und schon auf dem Weg sind durch den strömenden Regen. Das hätte man sich etwas früher gewünscht.
Et is wie et is, witterungsbedingt und vlt. auch müdigkeitsbedingt will keine Energie in den Tag kommen, immerhin geht’s zur Seebrücke mit der Strand-Ausstellung „Tiefseewesen“. Ein bissel Shopping, u.a. den wirklich spannenden Honig und das Heimatmuseum von Zingst. Es gibt eben solche Tage.
Wir hoffen also auf den Freitag und setzen uns Rügen als Ziel. Mit vagen Wetteraussichten. Kap Arkona wird schnell verworfen, die Kreisefelsen und der Königsstuhl aber sollen sein. Es wird eine Wanderung von Lohme aus, am Ende stehen gute 10 km Wanderung auf der Uhr. Eine schöne Waldwandeung bis zu den Kreidefelsen, die wohl bei jeder Witterung Starpotential haben. Heuer nutzen wir das Potential im Herbst.
Der Rückweg geht über Prora. Was soll man sagen zu dieser Nazi-Gigantomanie? Bisher habe ich ja immer nur Fotos gesehen.
Geplant war, dass hier bis zu 20.000 Menschen gleichzeitig Urlaub machen können. 1936 wurde der Bau begonnen, Architekt war Clemens Klotz. Acht aneinandergereihte baugleiche Blöcke á 500 Metern sollten es werden, 4,5 Kilometer Beton am Strand von Prora. Mit Beginn des Krieges 1939 wurden die Arbeiten eingestellt, die Bauarbeiter abgezogen nach Peenemünde. Hier sollten die A1 und später A2 entwickelt werden.
Fünf Blöcke bleiben übrig und werden ab 1950 von der NVA genutzt. Damit ist Prora der Öffentlichkeit entzogen – bis 1991. Prora wird nie als „KdF-Bad“, als monumentaler Urlaubsort, der schon allein durch architektonische Überwältigung den Menschen für das Regime einnimmt, genutzt. Kriegsmarine und Polizei werden ausgebildet, zum Kriegsende hin kommen hier Flüchtlinge unter und ein Lazarett wird eingerichtet.
Daheim in Zingst wollen wir zum Abschluss noch einmal Fisch im Restaurant, was schwieriger wird als erwartet. Zwar wird uns die Reservierung fix bestätigt, doch dann stehen wir vor dem Laden und kommen nicht rein. Alle Türen zu. Im Wintergarten sitzen zwar Gäste, aber eine Fachkraft lässt sich minutenlang nicht sehen, wir überlegen gerade, zu gehen, da erscheint denn doch noch wer und entschuldigt sich wortreich. Nun denn, wenn Personal kurzfristig absagt, wird es immer schwierig. Dass es dann aber durch den nur halbherzig abgedichteten Wintergarten zieht, so dass wir eigentlich auch gleich draußen sitzen könnten, hat mit kurzfristigen Absagen herzlich wenig zu tun. Dessert gibts auch nicht, die Zingster Stuben werden in ganz schlechter Erinnerung bleiben. Immerhin, im Grissini nebenan holen wir uns dann noch ein Dessert und so endet der letzte Abend in Zingst noch versöhnlich.