PILSEN-WE – November : 2018

Vom Bayerischen Wald nach Böhmen – und zurück. Beruflich im Süden, nutze ich die Gelegenheit für einen Abstecher nach Pilsen. Gute Entscheidung.

Viel zu lang war ich nicht in Tschechien. Fällt mir schon an der Grenze auf – das Radioangebot erweitert sich um diverse tschechische Sender. Irgendwo läuft Karel Gott und da bleibe ich natürlich hängen. Ein Schlagerbarde der reinsten Form, mindestens durch Biene Maja aber unsterblich und unvergessen. Aber – und das ist eine sehr überraschende Neuigkeit für mich – die goldene Stimme aus Prag ist ein Pilsener.

Zudem mag ich die tschechische Sprachmelodie einfach total gern hören, auch wenn ich kein Wort verstehe. Legendär ist ja die Prager U-Bahn-Ansage.

Und so genieße ich die traditionelle böhmisch-tschechische Küche. Kulinarisch vlt. nicht der Hochgenuss, aber verbunden mit vielen vielen Erinnerungen und allein deswegen eine kulinarische Wonne:-) Rindsgulasch mit Semmelknödeln, Tatar und Klobasa. Und natürlich Pilsner Urquell, hier an der Quelle.

Pilsen weiß auf den ersten Blick zu überzeugen. Natürlich die Altstadt mit der St.-Bartholomäus-Kathedrale und dem Marktplatz. Irgendwo höre ich, dass es der höchste Kirchturm Tschechiens sei. Auch überraschend. Der Blick von oben überzeugt.

Zu überzeugen weiß auch die Brauereiführung. Gehört ja irgendwie denn doch dazu. Erstes Bier Pilsener Brauart, eine Brautradition, begründet 1842. Später wird das ein Exportschlager. In über 60 Länder wird es exportiert. 10 Mio. Hektoliter Ausstoß, vielleicht sogar mehr. Wolters ist bei ca. 700.000.

Das Bier in Pilsen hatte früher eine derart schlechte Qualität, dass sogar mehrere Fässer Bier aus Protest öffentlich auf dem Rathausplatz ausgeschüttet wurden. Änderung musste her, 1842 wird der bayerische Braumeister Josef Groll aus Vilshofen nach Pilsen berufen. Mit sensationellem Erfolg.

Am 5. Oktober 1842 braut er den ersten Sud nach Pilsner Brauart, am 11. November 1842 erstmals öffentlich ausgeschenkt. Der Rest ist eine weltweite Erfolgsgeschichte. Früher wurde zur Kühlung im Gär- und Lagerkeller Eis aus den Flüssen in und um Pilsen verwendet. Und natürlich die zahlreichen Keller unter der Stadt.

Einige Folklore, gnadenloses Marketing und viel Hochglanz erwarte ich. Durchchoreographiert ist es ohne Zweifel, der größte Aufzug Tschechiens kommt ins Spiel, aber irgendwie ist es dann doch überraschend. Was vor allem daran liegt, dass es zum Abschluss in die Kellergewölbe der Brauerei geht. Wo die Fässer stehen und das Bier seine Reife bekommt. Schon cool. Lohnt sich.

Nicht ganz so das Brauereimuseum, die veranschlagte Stunde ist locker in der halben Zeit erledigt, komplett verschenkt hingegen ist es auch nicht. Interessanter dann aber das Kellersystem unter der Stadt. Und so bleibt noch viel Zeit für den Jugendstil, seinerzeit in Riga schon bewundert, nun gewissermaßen die tschechische Schwester. Enorm, was hier an Jugendstil steht. In den unterschiedlichsten Facetten. Absolut faszinierend.

„Wenn die Qualität eines tschechoslowakischen Erzeugnisses je weltweit Anerkennung erlangt hat und es ein Produkt gibt, dessen Ruf untrennbar mit Böhmen verbunden ist – dann ist es das Bier. Kein anderes Erzeugnis ist so typisch tschechoslowakisch, sein Ruhm historisch so verbürgt und den breitesten Bevölkerungsschichten ganz gleich welcher Nationalität menschlich so nahe – wie das Pilsner Bier. Wo die Kenntnisse über die geographische Lage unserer Republik versagen, wo auch die Namen wie Karlsbad, Masaryk oder Prag nicht mehr weiterhelfen, dort kann man in den meisten Fällen mit dem Wort Pilsner noch Erfolg erzielen. Das Pilsner Bier ist einfach zum Signum für unsere Republik und ein Werbemittel geworden, das für die Volkswirtschaft und das Prestige unseres Staates von unschätzbarem Wert ist.“

Aus einem Schreiben des Konsulats der Tschechoslowakischen Republik in Singapur an das Außenministerium in Prag über den Export von Bier nach Singapur, 29.5.1935. Archiv MZV

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