BAYERN – Oktober : 2006 + Juli : 2007

Ein goldener Herbst mit angenehmsten Temperaturen beginnt in Ramsau und schon bei der sonntäglichen Anreise zeigen sich die hinreißende Gegend wie auch die hinreißende Lage des Hotels. Der eine oder andere Eindruck der Alpengegend rund um Watzmann & Co. lässt sich in den nächsten Tagen vertiefen.

So erkunde ich das Berchtesgadener Land. Schon die nähere Umgebung von Ramsau ist schon mal ergreifend schön; insbesondere bei dem Sonnenschein, der mich ja begleitet. Fahren, schauen, anhalten, laufen, genießen.

Hoher Entspannungsfaktor, die mich fast unmerklich zum Königssee führt. Der ist eingerahmt von heftigen Felswänden und damit auch nicht so leicht zugänglich. Gehört sich ja eigentlich auch so für einen Gletschersee. Eine Autorundfahrt um den See? Fehlanzeige. Für die nähere Erkundung und vor allem für einen kurzen Blick auf die Wallfahrtskirche Sankt Bartholomä, soll „zweifelsohne die berühmteste Wallfahrtskirche im Berchtesgadener Land“ sein, so verschiedene Reiseführer, bliebe nur ein beschwerlicher und langer Kletterweg, den ich mangels Zeit sehr kritisch sehe. Also eine der inflationär angebotenen Bootstouren? Ich rechne die Zeit gegen und entscheide mich dafür, was gut ist, so bleibt noch Zeit für das Umland.

Auf dem Weg zurück Abstecher nach Freising, gerade etwas bekannter durch Benedikt XVI., hier ja vielleicht immer noch besser bekannt als Kardinal Ratzinger. Die Stadt ist einfach kompakter und weniger dörflich zusammengesetzt als Erding. Damit ist der Intensivkurs südliches Bayern aber auch schon vorbei.

Eine Fortsetzung folgt im Sommer 2007. Landshut wäre da zu nennen. Nach einigen verregneten Tagen in der letzten Zeit zeigt sich rechtzeitig die Sonne und unterstreicht, dass es sich auch in Landshut gut leben lassen würde.

Peiting und Schongau sind da ein kleineres Kaliber. Ruhiger, beschaulicher, ländlicher. Aber hier ist halt Fußball:-) Am 03.07. spielt im Stadion Birkenried (eher Sportplatz) in Peiting der TSV Peiting gegen den 1. FC Nürnberg vor 1.000 Zuschauern. 0:12 heißt es am Ende.

Weiter geht’s. Auf der zeitweilig parallel laufenden Straße der Romantik und der Deutschen Alpenstraße bewege ich mich teils entlang des legendären Lech.

Die Schlacht auf dem Lechfeld 955 zählt hier: Es war der Endpunkt der Ungarnkriege und größte militärische Sieg Ottos des Großen gegen die ungarischen Reiter. Zuvor hatten die ungarischen Reiter weite Teile Mitteleuropas geplündert. Eine der größten militärischen Auseinandersetzung im Heiligen Römischen Reich und einer der bedeutendsten Siege in der deutschen Geschichte.

Unweigerlich bewege ich mich auf Neuschwanstein zu, was ich bisher nur mit Kitsch in Reinkultur in Verbindung gebracht habe. Aber wenn ich schon mal da bin… Ich nehme den Aufstieg zur Burg und werde entspannter und entspannter. Feinste Einblicke in die Gedankenwelt von Ludwig II. gibt es auf der Burg. Er war nicht nur ein begeisterter Liebhaber der Mythenwelt von Tristan, Lohengrin, Tannhäuser usw.; er war gleichermaßen ein begeisterter Wagner-Verehrer, den er finanziell unterstützte. Ein Mäzen wie man ihn sich vorstellt.

Dazu aus der hervorragenden Wagner-Biographie von Walter Hansen: Richard Wagner. Biographie. München: dtv 2006.

„Zeit für eine profane Frage: Wieviel Geld hat Wagner von Ludwig bekommen? Insgesamt? Alle vom König in verschiedenen Währungen gezahlten Zuwendungen – Mieten, Geldgeschenke, Schuldenübernahmen und das noch immer überwiesene Jahresgehalt – ergaben 562.914 Mark. […] Wagner war hemmungslos in seinen Forderungen, [revanchierte sich aber, indem er dem König diverse Partituren seiner Opern und Orchesterskizzen schenkte]. Die Frage wird gelegentlich gestellt: Wer hat mehr gegeben, wer hat mehr genommen? Sei’s drum. Entscheidend ist: Ludwig half, als keiner mehr half. Ohne Ludwig II. gäb’s wohl keine ‚Meistersinger’, keine Aufführung des als unaufführbar eingeschätzten ‚Tristan’, keinen vollendeten ‚Ring des Nibelungen’, keine ersten Bayreuther Festspiele, keine zweiten Bayreuther Festspiele, keine Uraufführung von ‚Parsifal’. Es gäbe wohl überhaupt keine Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth ohne den König von Bayern.“

Nach einem komplizierten Berechnungsschlüssel entsprechen die 500.000 Mark gut 4 Mio €. Eine schier unglaubliche Summe, die allerdings über einen Zeitraum von fast 20 Jahren zusammengekommen ist. Eine der ersten Amtshandlungen Ludwigs nach der Thronbesteigung 1864 war, Richard Wagner an seinen Hof zu holen. Diese Verbindung hielt bis zum Tode Wagners 1883.

Die Beschreibungen, dass er Neuschwanstein v.a. nach den Vorstellungen von der Wartburg und als eine Art Märchenschloss bauen ließ, um seine Vorstellungen der Wagner-Opern real werden zu lassen und auf diesem Schloss ständig in seiner Opern-Mythen-Sagen-Fantasien-Welt schwelgen zu können, sind beredtes Zeugnis. Klingt zwar irgendwie kitschig und hängt wohl auch mit dem vielbeschriebenen rätselhaften Ludwig II. zusammen. Dennoch: alle Räume im Schloss sind mit diesen Sagen und Mythen unterlegt. Belegt ist, dass die Entwürfe von Neuschwanstein von einem Bühnenbildner sind, genauso wie belegt ist, dass Ludwig mit Wagner über seine Idee Neuschwanstein korrespondiert hat. Nochmal die Biographie auf S. 263:

„Ludwigs krankhafte Bausucht ließ sich nicht eindämmen. Kaum hatte man ihm das Wagner Festtheater weggenommen [ein Plan für München, der den letztlich gescheiterten kostspieligen Hochzeitsvorbereitungen Ludwigs zum Opfer fiel], gab er Auftrag, das Märchenschloss Neuschwanstein zu bauen: als Huldigung für Richard Wagner! Es solle ‚ein würdiger Tempel für den göttlichen Freund’ werden, so steht es geschrieben in einem Königsbrief vom 13. Mai 1868. (Schloss Neuschwanstein, von zwei Bühnenbildnern entworfen, Christian Jank und Angelo Quaglio, ist eine architektonisch unerhört geschickte Kombination von Bühnenbildern der Wagner-Inszenierungen in München und Bayreuth. Ludwig II. betrachtete das Schloss als einen sakralen Bau, als seine persönliche Gralsburg. Richard Wagner hat die Fertigstellung 1886 nicht erlebt und seinen ‚würdigen Tempel’ Neuschwanstein auch während der Bauphase nie betreten.)“

Kurzum, mich als Wagner-Fan hat das Ganze schwer beeindruckt und Neuschwanstein sehe ich seit meinem Besuch aus einer anderen Perspektive.

Später gen Tegernsee mit Abstecher über Kloster Andechs, 1455 gegründet, Wallfahrtsort seit dem 12. Jhdt.

Die Rundfahrt um den Tegernsee zeigt: hier lässt es sich gut leben. Okay, ich bin nicht der erste, der das erkannt hat. Krönung der Rundfahrt ist der Wallberg, eigentlich ja eher der Blick von dort oben. Der Tegernsee liegt einem zu Füßen und der Rundblick auf die Alpen lässt mich vergessen, dass ich wieder mal nicht daran gedacht habe, dass die Temperaturen und Windverhältnisse auf dem Gipfel in Höhe von 1700 m nicht der von 730 m in Rottach-Egern entsprechen. Von einigen Profiwanderern werde ich auch komisch angeschaut, was mir aber egal ist, obwohl ich zugeben muss, dass es nur im T-Shirt und Hemd ein wenig kühl werden kann da oben. Ob ich Wanderschuhe unbedingt brauch, weiß ich immer noch nicht, es gab ein Pärchen, welches ob meiner leichten Turnschuhe geradezu schockiert dreinblickte.

Über München geht es weiter nach Seefeld-Mösern in Österreich. Zunächst will ich das Städtische Stadion an der Dantestraße sehen. 10.000 kommen zum Testkick FT Gern München gegen Bayern. 0:18 gehts aus.

Das gebuchte Landhotel „Tyrol“ wirbt mit phantastischer Lage in Nordtiroler Bergwelt und grandiosem Blick aufs mittlere Oberinntal. Selten hat eine selbstgewählte Lagebeschreibung eines Hotels so gestimmt. Phantastisch ist untertrieben, ganz klar. Schon allein der Blick auf das Panorama erfüllt mit seliger Zufriedenheit. Dazu kommt unendliche, absolute Stille in 1250 m Höhe.

Passend zur Fahrt zum Zugspitzmassiv begleitet mich Wagners gewaltige Musik. Man kommt, wie ich finde, angesichts dieses gewaltig-harmonischen Gebirgszuges unweigerlich auf den Gedanken, dass die Inspiration für Wagners Musik neben der Mythenwelt mindestens auch von solchen Naturgewalten kommen muss. In beidem finde ich gleichermaßen eine komplett offenbare, umfassende, vereinnahmende Gewalt und oft fast gleichzeitig eine zurückgenommene, gleichsam nur angedeutete sanfte Spielerei, quasi jederzeit bereit, einen sofort und ohne Vorwarnung zu überwältigen. Ganz banal steckt dann die Zugspitze inmitten einer Wolkendecke, was natürlich schade ist, aber Wetter hat eben seine eigene Choreographie. Zum Glück gibt es aber 300 m tiefer eine weitere Station mit Blick auf Gletscher und grandiosem Rundumblick. Habe ich noch schwer geschluckt bei 47 € für hoch und runter, sehe ich das nunmehr als leidlich annehmbare Investition für immerhin 2000 zu überwindende Höhenmeter und immerhin den höchsten Berg Deutschlands, schließlich will ich mich ja entspannen und mich nicht dauernd über diesen Preis aufregen, obwohl dieser mehr als dreist ist.

Nicht weit entfernt ist Schloss Linderhof; ein weiteres Mal kreuzt Ludwig II. also abschließend meinen Weg.

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