BRÜGGE / HOLLAND – April : 2023

Den Punkt in Karlsruhe nehmen wir trotz mehr als zweifelhafter Schiedsrichterleistung noch mit, zwei Tage später starten Henning, SchAppi und ich gen Belgien und Holland. Ein Kurztrip kurz vor Ostern.

Locker kommen wir durch, am Nachmittag sind wir in Brügge. Das erste Ziel ist erreicht. Einchecken, auf in die Stadt. Lang her, dass ich hier war, hatte fast vergessen, wie pittoresk die Stadt ist. Davon überzeugen wir uns am nächsten Tag gleich nochmal, inklusive Belfried aus dem 13. Jahrhundert. Also zumindest in der ursprünglichen Form. Zwei Mal ist er abgebrannt, ein drittes Mal die Spitze, woraufhin er die heutige neogotische steinerne Krone bekam. Überragender Blick von da oben, die alte Hansestadt liegt uns zu Füßen.

„Durch seine günstige Lage und die Verbindung zum Meer entwickelte sich Brügge bereits im frühen Mittelalter zu einer betriebsamen internationalen Handelsstadt mit Hafen. Gleichzeitig wuchs die befestigte Siedlung dank der Präsenz der flämischen Grafen, die von Brügge aus die Grafschaft Flandern verwalteten, zu einem mächtigen politischen Bollwerk heran. Im 13. Jahrhundert durfte sich Brügge damit brüsten, das wichtigste Handelszentrum in Nordwesteuropa zu sein und Handelsleute aus ganz Europa ließen sich in der Stadt nieder.

Der Name des Oosterlingen-Platzes in der Innenstadt bezieht sich auf die deutschen Kaufleute („Oosterlingen“ oder „Ostler“), die Geschäfte machten und hier ihren Sitz hatten. In Brügge befand sich den wichtigsten hanseatische Handelsposten der Deutschen Hanse (Handelsnetz von rund 200 Städten). 

Der Erfolg hielt an, und im 15. Jahrhundert, Brügges Goldenem Zeitalter, liefen die Dinge selbst noch besser. Flandern gehörte nämlich seit Ende des 14. Jahrhunderts zum Reich der burgundischen Herzöge. Sie bauten ihre Residenz in Brügge weiter aus, und die Stadt wurde schnell zu einem kulturellen Brennpunkt. Neben dem traditionellen Tuch wurden neue Luxusprodukte in Hülle und Fülle hergestellt und verkauft. Der plötzliche Tod der geliebten Fürstin Maria von Burgund im Jahr 1482 läutete den Wandel ein. Die Beziehungen zwischen Brügge und dem verwitweten Maximilian von Österreich verschlechterten sich und der burgundische Hof verließ die Stadt. Die internationalen Kaufleute folgten in seinem Kielwasser. Zudem versandete zusehends Brügges Verbindung zum Meer. Das goldene Zeitalter war Vergangenheit.“ (Quelle: https://www.hanse.org/de/hanse/bruges)

Später noch eine Bootstour durch die Kanäle der Stadt bis hin zum Beginenhof, den wir am Morgen bereits gesehen haben. Unübersehbar dort: Ostern steht vor der Tür. Was natürlich auch nicht fehlen darf, ist die Heilig-Blut-Kapelle mit der Jesu-Blut-Phiole.

Anschließend haben wir noch die Kusttram auf dem Zettel. Zieht sich entlang der gesamten belgischen Küste und verbindet die ganzen Küstenstädte auf 67 Kilometern mit 67 Haltestellen. Spektakulärster Blick ist bei Domein Raversijde und den steuern wir natürlich an.

Zwei Übernachtungen waren in Brügge vorgesehen, die sind vorbei, es zieht uns weiter nach Delft, wo wir die nächsten Tage sein werden. Der Weg führt über das Oosterscheldekering (Osterschelde-Sperrwerk), Teil der Deltawerke, am 04.10.1986 der Bestimmung übergeben. Zu den Deltawerken später mehr.

Neun Kilometer lang ist die Sperranlage und eine Kombination aus Abschlussdeich und Sturmflutsperre. 65 Pfeiler sind bis zu 65 Meter hoch und bis 18.000 Tonnen schwer. Zwischen ihnen sind 62 bewegliche Tafelschützen aufgehängt, die innerhalb einer Stunde geschlossen werden können, was tatsächlich jährlich etwa einmal vorgenommen werden muss wegen entsprechender Wetterbedingungen.

Anschließend ist noch Zeit für Kinderdijk. Windmühlen satt, UNESCO Welterbe, bestes Wetter. 1738/40 werden die 19 Windmühlen, eigentlich Windpumpen, gebaut, um das anfallende Wasser aus den Poldern abzupumpen, um so den Boden landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Das alte Kanalsystem ist nicht mehr effektiv genug. Holland ist von unzähligen Kanälen durchzogen, ein komplexes und faszinierendes Be- und Entwässerungssystem. Kinderdijk ist ein Teil davon, der schönste. Heute haben Diesel- und Elektropumpen die Arbeit übernommen, die Mühlen kommen nur noch zu besonderen Anlässen zum Einsatz und sind zum Teil zu besichtigen, andere hingegen sind in Privatbesitz.

Zur Namensherkunft Kinderdijk gibt es verschiedene Erklärungen, mir gefällt diese hier am besten: 1421 bei der Elisabethenflut, früher wurden Fluten nach Heiligen benannt, wurden 72 Dörfer überflutet und 2.000 Menschen starben, andere Quellen sprechen von bis zu 10.000. Inmitten dieser verheerenden Flut sei eine Wiege mit einem weinenden Kind und einer kleinen Miezekatze unversehrt auf den Deich gespült worden, welcher nun fortan Kinderdijk genannt und gleich noch der Gegend den Namen gibt.

Top hier, neben den Windmühlen tummeln sich diverse Wasservögel hier, äußerst lebendig ist es.

An das Einchecken im Hotel, das sich über drei Gebäude in der Altstadt verteilt, schließt sich noch ein kleiner Spaziergang durch Delft an, was uns in der Wahl noch einmal bestätigt. Hübsch und ruhig ist es und Grachten gibt es hier auch, der Verzicht auf Amsterdam ist richtig. Nur der Kirchturm gegenüber dem Hotel macht uns bissel Sorge so schief wie der ist. Aber so steht er schon länger, er ist im weichen Untergrund ca. zwei Meter aus dem Lot geraten, was schon sehr kurios aussieht. Aber er bleibt stabil. Also solange wir da sind.

Der nächste Tag ist in mehrfacher Hinsicht die Herausforderung des Urlaubs. Regen ist angesagt und leider bestätigen sich alle Vorhersagen. Wir entscheiden uns für Rotterdam, bei Sonne und ein bissel grüner mag das alles gehen, bei Regen suchen wir den Charme vergeblich. Ab ins Maritiem Museum, aber das vermag uns auch nicht so recht zu überzeugen, zu unklar bleibt das Konzept. Und nur Schiffsmodelle anschauen is denn doch bissel wenig.

Die Markthalle ist ganz hübsch anzuschauen, der Kaffee schmeckt, an den Kubus-Häusern scheiden sich die Geister. Außergewöhnlich sind die um 45° gekippten Häuser definitiv und nicht nur aufgrund der markanten Farbe ein Hingucker. Der praktische Wohnwert hingegen ist deutlich eingeschränkt, weil die Wohnung praktisch nur aus schrägen Wänden besteht. Neben Wohnungen und einem kleinen Museum gibt es ein kleines Hostel.

Die Kubushäuser von Piet Blom wurden von 1982-1984 gebaut, die Markthal kam 2014 dazu.

Die anschließende Tour durch den Hafen ist trotz des Wetters okay, wir bekommen einen Eindruck von der Dimension des Hafens und an Deck regnet es nicht.

Ein letzter Abend gemeinsam mit SchAppi – Henning und ich bleiben noch ein Weilchen. Wir entscheiden uns fürs Delfts Brouwhuis, gute Wahl, allerdings auch fürstlicher Preis, naja egal, im Urlaub ist das okay.

Der Regen hat aufgehört, bedeckt ist es immer noch, wir fahren ein wenig in den Norden, De Zaanse Schans ist das Ziel. De Zaanse Schans ist Windmühlenromantik in unromantisch.

Irgendwie erinnert alles an ein großes Freiluftmuseum mit viel bombastischer Kulisse. Aber ganz viel Leute sind hier unterwegs und posieren für Insta + co. Nix gegen Insta, ich bin da ja selbst unterwegs, aber auf die Leute, die zum Posieren herfahren und einfach nur im Weg rumstehen, kann ich gut verzichten. Wissen die hinterher überhaupt noch wo die waren?

Das Freilichtmuseum De Zaanse Schans soll an das älteste Industriegebiet der Niederlande erinnern, sicherlich ist hier nicht alles original, aber spannend irgendwie schon. Irgendwo hab ich gelesen, dass gerade die Sägemühlen für die Entwicklung zur Seefahrernation wesentlich waren. Zwischen 1961 und 1974 wurden viele alte Gebäude aus der Region hierher transportiert, wieder aufgebaut und in ihren ursprünglichen Zustand versetzt, vor allem aber wurden die vorhandenen Windmühlen restauriert und erweitert.

Wir fahren weiter zum Nationaal Park Zuid-Kennemerland. Stars der Szene sollen hier angesiedelte Wisente sein. Leider verzichten sie darauf, sich zu zeigen, schade. Schöne Landschaft ist es trotzdem, paar fette Schnecken treiben sich hier rum und Blässhühner beim Nestbau lassen sich beobachten. Sehr schön.

Und endlich, endlich stellt sich auch das Erholungsgefühl ein, ein bissel spät für mein Geschmack, aber dann wohl ein Indiz dafür, dass es der Jahresstart in sich hatte. Dass der Urlaub mit einer Woche eher zu kurz ist, ist ja eh klar. Sei’s drum, besser das Erholungsgefühl spät als gar nicht.

Letzte explizite Ziele sind das Maeslant-Sperrwerk und Hoek von Holland. Gerade das Sperrwerk, ein weiterer Teil der Delta-Sperrwerke, ist schon schwer beeindruckend. Feinste Ingenieurkunst, die den Nieuwe Waterweg schützen soll. Innerhalb von zwei Stunden lässt sich mit dem Sperrwerk der Wasserweg abriegeln und letztlich Rotterdam schützen. Ich hole mal bissel aus.

Ohne den Schutz von Deichen, Dünen und Sperrwerken ständen 40 % der Niederlande mehr oder weniger ständig unter Wasser. 17.500 km sind die Deiche lang.

1953 erleben die Niederlande eine verheerende Flutkatastrophe. Die Deiche im südwestlichen Delta brechen, 1.836 Menschen kommen ums Leben, 74.000 werden evakuiert. Die Deltawerke sind die 2,7 Milliarden Euro teure niederländische Antwort.

⁃ 1958 ist der Beginn mit einer Sturmflutsperre in der Hollanse IJssel

⁃ 1961 werden Veerse Gat und Zandkreek abgeriegelt

⁃ 1971 folgen der Haringvlietdam und der Brouwersdam

⁃ 1986 ist das Oosterscheldesperrwerk fertig

⁃ 1987 folgen Oesterdam, Philipsdam und Bathse Spuisluis

⁃ 1997 werden die Deltawerke vollendet mit dem Maeslant-Sperrwerk und Hartelsperrwerk

Das Maeslant-Sperrwerk soll vor allem den Kanal Nieuwe Waterweg im Falle des Falles abriegeln und schützen und so auch Rotterdam. Immerhin eine Million Menschen wohnen im Großraum.

1866 wird mit dem Bau des Nieuwe Waterweg begonnen, um der zunehmenden Versandung des Rotterdamer Hafens zu begegnen. Freigabe für die Schifffahrt 1872. 2018/19 Vertiefung der Fahrrinne für deutlich größere Schiffe mit bis zu 15 m Tiefgang.

Das Sperrwerk als Krönung der Deltawerke? Kann man so sehen, nicht nur weil es der letzte Baustein dieser gigantischen Bemühungen ist. Es ist feinste und beeindruckendste Ingenieurskunst. Sechs Jahre sind 600 Arbeiter an einem 660 Mio-€-Projekt beschäftigt (1991 – 1997).

Das Sperrwerk hat zwei kreisbogenförmige Tore, die in den Wasserweg eingeschwenkt werden können. Die Kugelgelenke dafür haben einen Durchmesser von 10 Metern. Ein Tor mit seinen ganzen Fachwerkträgern nimmt es von Größe und Gewicht locker mit dem Eiffelturm auf. Ich sehe die Dimensionen jeweils, ich kann den Vergleich aber schlicht nicht ziehen, weil zwei verschiedene Perspektiven, daher belasse ich es bei dem Bild.

Hier zwei Schautafeln aus dem Besucherzentrum het Keringhuis:

Die Sperrtore sind 22 m hoch und je 210 m lang, so liegen sie bei normalem Wasserstand in ihren Docks. Bei einer drohenden Sturmflut werden die Docks geflutet, die Tore schwimmen auf. Anschließend werden sie in die Mitte des Nieuwe Waterweg geschwenkt, geflutet und so auf den Grund der Schifffahrtsstraße abgesenkt. Abgefahren dabei, dass kurz vor der Bodenberührung zwischen den Toren und dem Grund eine so starke Strömung entsteht, dass Ablagerungen und Schlick hinfortgespült werden. Die Schließung der Wasserstraße dauert 2½ Stunden.

aus: Das Sturmflutwehr im Nieuwe Waterweg (het Keringhuis)

Das Besucherzentrum Het Keringhuis ist klein aber fein, ich bin angetan, vor allem aber vom Maeslant-Sperrwerk begeistert.

Nach einem ausgedehnten Spaziergang an der Küste von Hoek van Holland zieht es uns noch weiter nach Leiden. Hier hat uns die Sonne dann endgültig wieder, was den Reiz der lebendigen Studentenstadt zusätzlich unterstreicht. Dazu der lange, lebendige, sich an die Grachten schmiegende Markt, wirklich schön hier. Das 1:0 gegen die Pfälzer Bauern hebt die Stimmung zusätzlich.

Ein letztes Mal die leckeren Bitterballen im Brauhaus, das wars dann schon.

Fast jedenfalls. Zurück geht’s mit einem kleinen Umweg über den Afsluitdijk, der die Nordsee und das IJsselmeer schon seit 1932 voneinander trennt. Früher ist hier die Nordseebucht Zuiderzee, der wird im Laufe der Jahre zu einem großen Süßwassersee, dem IJsselmeer. Der Bau des Abschlussdeichs verkürzt die niederländische Deichlinie um mehr als 200 km, was umfangreiche Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen an den Deichen spart und zusätzlich Amsterdam und das Umland schützt.

Die Flutkatastrophe von 1953 ist die Bewährungsprobe für den Deich. Obwohl stark beansprucht hält er stand und kann Überschwemmungen rund ums IJsselmeer verhindern. „In dieser Nacht hat der Abschlussdeich sein Geld zurückbezahlt“, ist die Aussage eines Politikers.

Hier gibt es noch was zu lesen: https://theafsluitdijk.com/de/

Insgesamt aber ist der Abschlussdeich doch eher enttäuschend, halt eine lange Autobahn mit Wasser links und rechts. Spannend wird’s dann noch mal zum Abschluss bei der Lorentzschleuse, einer Schleuse mit zwei Drehbrücken, bei der wir uns dann auch einreihen müssen, weil paar Schiffen die Durchfahrt gewährt wird. Für dieses kurze Schauspiel nehmen wir den Stop doch gern in Kauf. Der Rest verläuft unspektakulär.

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