Nach langer Vorlaufzeit und intensiven Vorbereitungen soll es am 10. Juni endlich gen Portugal gehen. Die EM-Karten sind in der zweiten Bestellrunde geordert und nach den drei Monate später ausgelosten Paarungen wissen wir auch endlich, was sich hinter solch aussagekräftigen Partien, wie z.B. B 3-B 4 verbirgt. Aber davon später.
Hektische Aktivitäten in den letzten beiden Tagen vor Abreise bringen uns zusätzlich in den Besitz von Eintrittskarten für DEN Klassiker Deutschland-Holland und Bulgarien-Dänemark in einem der abgefahrensten Stadien, daß ich je gesehen habe, soviel steht schon mal nur nach Ansicht von Fotos fest. Aber auch hiervon später.
Das Wohnmobil ist geordert, begutachtet und vor Ort als ideal bewertet worden. Ausreichend Platz, hohe Funktionalität und mehr Schlafkomfort als bei der Färöer-Rückfahrt. Togy stellt sich dankenswerterweise als BS-HI-Shuttle zur Verfügung, was uns einen satten Gewinn von 4h gegenüber ursprünglichen Planungen einbringt. Und das soll uns im Endeffekt ein ganzen Tag mehr in Portugal bescheren. Denn dank Andreas’ Fahr- und Ausdauerleistung allergrößter Güteklasse können wir noch am Abend Paris umrunden. Unser zweiter dicker Brocken also aus dem Weg geräumt. Den ersten haben wir in Belgien hinter uns gelassen: Nicht wirklich geplant, dient der erste Fahrabschnitt dem Ausmessen des Tankvolumens. Nicht einrechnend, daß die Tankstellendichte in Belgien nicht an deutsche Verhältnisse heranreicht, rollen wir die letzten 30km schwitzend und auf die sich schon lange nicht mehr bewegende Tanknadel starrend der rettenden Tankstelle entgegen, um dann erstaunt und erleichtert festzustellen, daß in einen 70-l-Tank doch tatsächlich 71 l passen.
Nach einer Rast auf einem Parkplatz irgendwo in Frankreich geht es weiter. Als Fahrer fange ich diesmal an, Henning gibt erneut den Navigator. Teilweise zieht sich die mautfreie Strecke zwischen Paris und Bordeaux etwas zäh dahin, aber dafür werden wir nach dem Spaniengrenzübertritt entschädigt. Andreas hat inzwischen das Steuer übernommen und steuert an den Pyrenäen vorbei durchs reizvolle spanische Hochland, welches besonders zwischen San Sebastian und Burgos zu gefallen weiß. Äußerst fix und konzentriert wird das Etappenziel weit übertroffen und ein Parkplatz bei Zamora angesteuert.
Am nächsten Tag ist es mir vorbehalten, als Fahrer den ersten emotionalen Highlight des Tages zu nehmen: die Grenze Spanien-Portugal. Zuvor nochmal Tanken an einer Tankstelle, die sogleich Assoziationen an „From dusk till dawn“ weckt. Oder an irgendwelche schlechten Werbungen? Naja, jedenfalls witzig irgendwo im Nichts und nicht nur ob der sanitären Anlagen sehr zu empfehlen.
Nach einer kurzen Ausweiskontrolle können wir auf dem Weg nach Braga das landschaftlich reizvolle, abwechslungsreiche, aber an vielen Stellen auch sehr karge Nordportugal bewundern. In Braga gilt es, georderte Karten abzuholen, was auch problemlos vonstatten geht und mit einer zünftigen Brotzeit vor dem Stadion gewürdigt wird, nicht ohne daß uns das UEFA-Service-Team freundlich und offensichtlich auch etwas verwundert zu verstehen gibt, dass Campen dort nicht ginge. Haben wir aber eh nicht vor, wir wollen das Stadion, was schon deutlich in Richtung Kunstwerk geht, ablichten; schließlich müssen ja die Tempel der Moderne auch einer entsprechenden Würdigung unterzogen werden. Hochgradig vom Fußball- bzw. Stadionvirus infiziert, lassen wir auch nicht die Möglichkeit ungenutzt, das Wohnmobildach als Fotoplattform zu nutzen, um ja keinen Zaun im Weg zu haben.
Den Abend lassen wir dann auf dem Campingplatz in Ofir ausklingen. Nach zwei Nächten auf Parkplätzen irgendwo an der Strecke und der langsamen Mutation zum Iltisexpress bekommt uns die Abwechslung mit Infrastruktur wie Strom, Dusche, richtigem Klo usw., einem Gang zum Atlantik und Fernsehen ausgesprochen gut. Nach dem Ankommen, Duschen und Essen wollen wir uns natürlich auch einfach mal außerhalb des Wohnmobils bewegen und was liegt da näher, als das EM-Eröffnungsspiel Portugal-Griechenland in der campingplatzeigenen Bar zu schauen. Es soll uns einen ersten Eindruck der portugiesischen Mentalität verschaffen: Ruhig, melancholisch, geradezu schicksalsergeben wird die bittere Niederlage im Eröffnungsspiel hingenommen. Der Campingplatz wirkt für geraume Zeit – bis auf hier und da zu hörende Fado-Musik – wie tot. Keine heißblütigen Diskussionen irgendwo, kein lautstarkes Klagen, sondern schicksalsergebene Hinnahme dessen, was geschehen ist. Irgendwie neu für uns.
Am nächsten Tag beginnt auch für uns die EM „richtig“. Heute gilt es, nicht so viel Strecke zu machen, also nehmen wir uns eine Stunde mehr zum vergleichsweise Ausschlafen. Recht fix geht’s dann nach Leiria, Parkplatz am Stadion inklusive. Die entsprechende Zeit für die City ist eingeplant, also zunächst ab Richtung City, insbesondere Castell. Unsere von dort aus geplanten Stadionfotos wären allerdings wegen des geschlossenen Castells fast ins Wasser gefallen. Aber nicht mit uns dachten wir und hangeln uns an den Außenwänden der Burg entlang. Den Rest des Tages verbringen wir damit, jeweils zu begutachten, was denn an Fans so dabei ist und nebenbei Leiria mit seiner hübsch verwinkelten Altstadt anzuschauen, bevor dann endlich das Match B 3-B 4 oder Schweiz-Kroatien angesagt ist.
Überraschend das Stadion: Sitzschalen in nahezu jeder Farbe vermitteln auch wenn das Stadion leer ist den Eindruck einer ausverkauften Hütte. Gewöhnungsbedürftig, aber erfrischend. Zu drei Vierteln präsentiert sich das Stadion als Leichtathletikstadion – später eine ausdrücklich vorgesehene Nutzung -, nur eine Hintertortribüne ist als Stahlrohrkonstruktion im Betonmantel bis ans Spielfeld herangezogen. Originell, besonders in Zeiten der Arenen, die letztlich irgendwie alle die gleiche sterile Atmosphäre ausstrahlen. Das Spiel weiß nicht zu begeistern, Kroatien in der ersten Hälfte optisch überlegen, aber mit nichts Brauchbarem. Die Schweiz mit Herz, aber noch weniger Brauchbarem. In der zweiten Hälfte stellen die Kroaten ihr bis dato eh dürftiges Flügelspiel nahezu gänzlich ein und die Schweizer verlegen sich nun endgültig aufs Rausbolzen und die Hoffnung auf Konter. Nach Gelb-Rot auf Schweizer Seite gibt es überraschenderweise sogar noch ein paar – für dieses Spiel – hochkarätige Chancen zugunsten der Schweizer. Ein Tor – der Leser ahnt es schon – wäre aber diesem Spiel zuviel der Ehre gewesen.
Immerhin weiß der Kroatische Mob mit einer Blockfahne und wahrhaft martialischen Gesängen zu gefallen, von den Schweizern kommt immer wieder ein niedliches „Hopp Schwiiz“; zumindest in dieser Hinsicht geht der Sieg an die Kroaten. Den Abend lassen wir mit Ralle & Co. in einer Kneipe bei Frankreich-England ausklingen, bevor wir uns gen Lissabon aufmachen.
Nach einer Nacht vor den Toren Lissabons geht es in die Hauptstadt. Zügig wird ein Parkplatz direkt am Stadion geentert. Die anschließende Stadtbesichtigung unter fachkundiger Führung von Henning hat als einen Höhepunkt die in jedem Reiseführer erwähnte Kamikazefahrt mit der Straßenbahnlinie 28 handbreit an geparkten Autos vorbei.
Mit Schweden-Bulgarien steht dann mein 100. Ground an. Das Alvalade, ein Neubau und Heimstätte des FC Sporting Lissabon, gibt dafür schon mal einen schönen Rahmen. Die uns mittlerweile vertraute farbenfrohe und geschwungene Stadionarchitektur der EURO 2004 ist angenehm zurückgenommen zugunsten einer klaren Betonung der grünen Sporting-Farben. Bei ausverkauftem Stadion sieht man von den grünen Sitzschalen natürlich nicht mehr allzuviel, aber es bleiben ca. 20.000 Plätze frei. Naja, auch bei uns hält sich die Vorfreude und Erwartungshaltung an das Spiel in überschaubaren Grenzen, aber wir sollten äußerst positiv überrascht werden. Fünf Tore für Schweden – und darunter richtige Leckerbissen – bilden zwar die tatsächlichen Kräfteverhältnisse nicht wirklichkeitsgetreu ab, ist uns aber herzlich egal. So gibt es einige Bilder von einem 7-8.000 starken Schwedischen Mob zu sehen, eine gelbe Wand übrigens, die auch unserem BTSV zur Ehre gereicht.
Da am nächsten Tag Porto auf dem Programm steht, setzen wir uns direkt nach dem Spiel in Bewegung und steuern unseren Campingplatz an. Nach dem Einchecken begrüßen uns Basti und Rocky und gemeinsam vernichten wir das eine oder andere Bier, schließlich ist ja Urlaub. Die entsprechende Grundlage – die Wahl fällt auf Chili con Carne – wird aus unserer bordeigenen Kombüse geliefert, ehe es durch die hübsch anzuschauende, aber hoffnungslos im Verkehrschaos versinkende Innenstadt Portos zum Stadion geht.
Dort steht DER Klassiker an, vom Allerfeinsten! Das Dragao ist hierbei nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern im Gegenteil die nächste Steigerung in meiner persönlichen Hitliste der besuchten EM-Stadien. Schlichte Eleganz bei gleichzeitiger moderner Dynamik und sehr offen gehalten, einfach schön. Optisch unterstützt wird das durch ein wahres Oranjemeer, das diesem Eindruck aber nicht annährend stimmlich gerecht werden kann. Der Grund liegt in einer taktisch hervorragend eingestellten Deutschen Mannschaft und einer planlos und durchschaubar kickenden Holländischen Mannschaft. Zumindest in der ersten Hälfte: In der zweiten Hälfte entwickelt Holland dann den Druck, der eigentlich von Anfang an erwartet war und kommt zum verdienten Ausgleich. Für kurze Zeit ist das Spiel auch stimmungsmäßig ein faszinierendes Duell, was aber nichts daran ändert, daß der Deutsche Mob als klarer Punktsieger über die Ziellinie geht. Experten sprechen hinterher von der besten Stimmung bei einem Deutschen Länderspiel seit Ewigkeiten.
Bei diversen Bieren auf dem Campingplatz mit weiteren Braunschweigern klingt der Abend aus. Ein Tag vom Allerfeinsten. Das Porto-Programm wird ein bissel reduziert; einen Teil Portos haben wir ja schon begutachtet. Wir wollen vor allem auch das zweite EM-Stadion von Porto sehen. An dieser Stelle ist eine Hymne auf die Gastfreundlichkeit der Portugiesen fällig: Unserer fehlenden Orientierung nicht Herr werdend fragen wir nach dem Weg zum Stadion und bekommen diesen irgendwie beschrieben, ohne aber genau zu verstehen, welche Richtung gemeint ist. Ohne zu Zucken werden wir an die Hand genommen und zum Stadion geführt. Und dies ist nicht die erste ähnlicher gastfreundlicher Aktionen! Eine dermaßene Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit hatten wir nicht erwartet. Schnell werden noch Karten geordert und dann geht’s ab zum nächsten Highlight unserer noch jungen Hopperkarriere: Estadio do Bessa, ein reines Fußballstadion mit wirklich null Auslauffläche jenseits der Linien. Dazu extrem steil gebaut mit klaren, strengen Linien, die eine Kompaktheit ergeben, daß mir nur bei der Vorstellung, was der Englische Mob hier an Stimmung zelebrieren kann, eine absolute Gänsehaut kommt. Der uns präsentierte Kick zwischen Spanien und Griechenland endet überraschend, aber leistungsgerecht 1:1. Womit die Griechen schon fast eine Verlängerungswoche buchen können. Wer hätte das gedacht.
Am nächsten Tag sollen wir endlich bei dieser EM Bekanntschaft mit dem Englischen Mob machen. Angesetzt ist Schweiz – England in Coimbra, der drittgrößten Stadt Portugals und reizend an hügeliger Landschaft gelegen. Das Stadion ist schnell gefunden. Ähnlich wie Leiria setzt Coimbra bzgl. der Nachnutzung weiter auf die Doppelstrategie Fußball und Leichtathletik. Die Folge sind geradezu gigantische Entfernungen zwischen Spielfeld und Zuschauerrängen. Eher nicht so prall. Ich muß ja nicht die Super-High-Tech-Arenen mit der Wiederkehr der Immergleichen haben, aber ein bisschen weniger Entfernung zum heiligen Grün darf’s denn doch sein. Sehr geil allerdings ist der stimmgewaltige Englische Mob, der das eine oder andere Mal für eine Entenpelle sorgt. Abwechslungsreich und textfest ist nicht nur ein fester Kern am Singen, sondern ca. 2/3 des Stadions. Absolut beeindruckend wie laut. Die ca. 6.000 Schweizer versuchen mit ihrem niedlichen „Hopp Schwiiz“ dagegenzuhalten; genauso lustig wie vergeblich. Sehr geil auch die Optik: ausgenommen die Schweizer Kurve ist das Stadion erwartungsgemäß in Englischer Hand, was sich an einem Meer von Bannern zeigt.
Das Spiel ist ein recht mieser Kick, den England verdient gewinnt. Das Interessanteste an diese Tag ist ohnehin der Englische Mob, der Rest Statistik. Danach wird unsere letzte Station des Portugal-Aufenthaltes zum Übernachten angesteuert: Braga. Auf dem hiesigen Zeltplatz bietet sich ein neuer Highlight unserer an Highlights wahrlich nicht armen Tour. Der Campingplatz ist fest in Dänischer Hand, entspannte Partystimmung inclusive. Höhepunkt des Höhepunkts ist ein zum riesigen Partymobil umgebauter alter Reisebus. Sowas Abgefahrenes habe ich lange nicht gesehen. Erstaunlich spät kommt das Partymobil am nächsten Tag auf Touren und so können wir vor dem ausgiebigen Einkauf für die Rückreise sogar noch richtig ausschlafen. Danach steht noch ein kurzer Besuch der Stadt an. Beeindruckend der Hinweg per Bus: Der Busfahrer entscheidet, den schnaufenden, vollbesetzten Bus an der nächsten Station gar nicht erst anzuhalten, was von den wartenden Portugiesinnen unter erheblichen Protesten zur Kenntnis genommen wird. Sofort strahlen und winken sie aber beim Anblick der fröhlich lärmenden Dänen im Bus: gelebte Gastfreundschaft.
Das neuerliche Highlight ist das Stadion in Braga: ein kompletter Neubau gänzlich ohne Hintertortribünen. Trotzdem ein 30.000er: man kann sich die Dimensionen der Geraden vorstellen. Absolut gigantisch und hoch. Trotzdem wir auf Mittelhöhe sitzen, ist die Gegengerade bei den obligatorischen Nationalhymnenfotos nicht zu sehen, soviel zu Dimensionen und Perspektive. Das Innere hat auch wenig mit „herkömmlichen“ Stadien zu tun, zumindest ist mir kein Stadion bekannt, welches gleichzeitig so skurril und faszinierend ist. In den Felsen gebaut, mit dem Felsen als Hauptakteur an den Stirnseiten und auf den Geraden mit dem Felsen verbunden von einer schlichten Harmonie, die einfach umwerfend ist. Unendlich viele Treppenstufen bringen einen auf eine überwältigende Höhe, die sicherlich auch in dem einen oder anderen Stadion anzutreffen ist, aber durch die schroffe und hochdimesionierte Architektur des Stadions magisch wirkt. Vorausgesetzt, man hat keine Höhenangst. Es ist definitiv das abgefahrenste Stadion, welches ich je gesehen habe und ich finde, man kann Architekt und Entscheider zu dieser Fußballkathedrale nur gratulieren. Herausragend individuell und mutig. Uns können wir übrigens auch nur gratulieren, die Karten hierfür nachgeordert zu haben. Ein würdiger Ground begleitete – seinerzeit noch leer – unsere ersten Schritte bei dieser EM und sollte nun unsere letzten Schritte begleiten. Nach einem viel zu kurzen Aufenthalt in Portugal geht’s nach einer kurzen Brotzeit wieder zurück.
Zwischenfazit: Irgendwie kann alles immer noch geiler kommen als man sich das irgendwie vorgestellt hat. Fahrtmäßig lief bisher alles optimal. Touristische Highlights in Porto und Lissabon wurden angenehm abgerundet durch das nördliche Portugal-Hochland und eher kleinere Städte wie Braga oder Leiria. Ein Intensivkurs Portugal, eben so wie wir’s haben wollten. Schöne Stadien haben sich abgewechselt mit richtig abgefahrenen. Eine unglaublich entspannte Atmosphäre auch um die Spiele herum; viele interessante Typen gesehen. Sehr viel Spaß haben auch die Abende mit bekannten und erwähnten Braunschweigern gemacht. Untereinander hatten wir mehr damit zu tun, die Eindrücke wirken zu lassen und einzuordnen als darüber zu diskutieren. Wir haben eine Gastfreundschaft erleben dürfen, die mich immer noch umhaut; dermaßen freundliche und uneigennützige Hilfe bin ich von Deutschland so dermaßen wenig gewohnt, daß es hier umso mehr auffällt. Oder wie soll man – neben vielen, vielen anderen Beispielen – die Situation werten, daß Portugiesen extra nur um ihnen unbekannte Deutsche (die ULB’s) zu einem abgefuckten Campingplatz zu geleiten, ihr Auto aus der Garage holen. Die EM wird mir als eine sehr herzliche Veranstaltung in Erinnerung bleiben: von den Gastgebern sowieso, die bunten Stadien trugen dazu bei, die unkomplizierte, zurückhaltende und freundliche Behandlung der Fans, sei es von Seiten der Polizei oder der Ordner. Auch das Design, welches von warmen Farben über das jeweilige Logo der Stadt bis in das EM-Logo zusammenfaßt, was für diese EM steht: HERZlichkeit.
19.06.: Nach dem Spiel in Braga gilt es, noch ein paar Kilometer zu machen, schließlich wollen wir auf dem Rückweg noch Madrid mitnehmen, inzwischen ist nämlich klar, daß der letzte Spieltag der zweiten Spanischen Liga zu unserer Freude an diesem Samstag ausgespielt wird. Unsere Rastplatzauswahl fällt auf spanischen Boden; genau jene Tanke irgendwo im Nichts, die uns zum letzten Tankstopp auf der Hinfahrt animierte. Tagsüber schon skurill, wird der Eindruck nachts nochmal gesteigert. Zügig wird Madrid erreicht und Dank einer navigatorischen Meisterleistung Hennings setzen wir eine Punktlandung vor dem Campo de Vallecas. Bis zum Zweitligaabstiegskick zwischen Rajo Vallecano und U.D. Las Palmas ist noch reichlich Zeit. Auf die dem Stadion nächste Kneipe fällt unsere Wahl, schließlich wollen wir den EM-Aufreger Deutschland-Lettland schauen und rechtzeitig im Stadion sein. Die Kneipe ist eine urige Fußballkneipe, vollgestopft mit diversem Fußballinterieur und mit Blick auf die Tribüne, sogar vom verranzten Klo aus. Bis zum Anpfiff verbringen wir dort unsere Zeit und sehen besagtes Deutschland-Spiel. Man hätte seine Zeit auch anders verschwenden können. Irgendwann ist das endlich überstanden. Der Abstiegskick erfüllt alle unsere Erwartungen. Ein mieser Kick, den Las Palmas gewinnt. Wenn dieser Rückschlüsse auf die Saison zuläßt, steigen beide Mannschaften völlig zurecht ab. Kurz nach Beginn der zweiten Hälfte wandern die „Bucaneros“ und dazugehörige Ultras ab und eine watteweiche Wir-haben-uns-trotzdem-lieb-Abklatschrunde fällt auch komplett aus, zu schnell müssen die Spieler unter erheblichen Pöbeleien von Zuschauern verschwinden. Das Stadion liegt mitten im Wohngebiet und hat dadurch den vielzitierten englischen „Spirit“. Der begrenzte Raum wirkt sich natürlich auf die Bauweise aus, kompakt und steil bietet der Ground 18.000 Zuschauern Platz. Für eine zweite Hintertortribüne fehlt der Platz, ca. 10m hinter dem Tor erhebt sich ein Wohnblock. Etwas in die Jahre gekommen wirkt der Ground nicht mehr wirklich frisch, aber einerseits hat Vallecano fürs erste die beste Zeit hinter sich und andererseits macht uns genau dieser Charme, mit dem uns solch ältere Grounds zu bezaubern wissen, besonders an. Und bei Neubauten sind ja solche Experimente wie Bessa oder Braga mittlerweile die absolute Ausnahme. Das war schon mal mehr als nur eine „kleine“ EM-Zugabe.
Nach unserem Nachtquartier bei Zaragossa geht’s weiter Richtung Pyrenäen. Dort haben wir uns – um unsere ohnehin schon grandiose Tour mit einem Sahnehäubchen zu krönen – Andorra als Ziel mit dem UI-Cup-Spiel zwischen U.E. Sant Julià de Lòria und F.K. Sartid ausgesucht. Dazu müssen wir mitten durch die Pyrenäen, eine in jeder Hinsicht perfekte Wahl. Die Anfahrt nach Andorra weiß in jedem Fall schon mal zu gefallen. Die nächste Überraschung gibt’s dann vor Ort. Paradiesische Dieselpreise: 63 Cent. Die nächste Überraschung ist Andorra selber: Während ich eine größere Stadt und ein paar kleinere Bergdörfer erwartet habe, fahren wir durch eine an Berghängen langgezogene riesige Shopping- und Appartmentmall, aufgrund der Lage zwischen steil aufragenden Felswänden aber ganz nett anzuschauen. Da wirklich alles geöffnet ist, herrscht dementsprechend buntes Treiben. Auf der Suche nach unserem Ground kommen wir auch noch unverhofft in den Genuß einer Stadtrundfahrt. Schließlich gefunden, sehen wir in der Stadiongaststätte auch noch ein paar Bilder des vorigen Abends und stellen fest, daß diese wenig herzliche Verabschiedung in Vallecano erst der Auftakt zu handgreiflichen Tumulten zwischen Spielern und stinksaueren Fans war. Wie erwähnt: bemerkenswert konsequent. Der Ground ist zwischen Niedersachsenliga- und Oberliagniveau, irgendwie schwer vorstellbar, daß dort internationale Spiele stattfinden sollen. Dafür habe ich aber auch noch nie einen Ground mit so malerischer Kulisse gesehen. Ringsum steil aufragende, bewaldete Berge, im Hintergrund sogar schneebedeckte und der Tribünenhintergrund geradezu ein Postkartenmotiv von Andorra. Eine weitere perfekte Zugabe zu unserer Tour. In das Familienbild auf der Tribüne passen wir drei Nasen so eindeutig nicht, daß wir am Eingang erstmal eine Leibesvisitation über uns ergehen lassen dürfen, was witzig. Der einzige Moment übrigens, in dem die insgesamt vier Polizisten sich nicht langweilten. Danach aber dürfen wir noch während das Warmmachens auf dem Platz herumlaufen, um unsere Fotos zu machen. Auf dem Platz ist schnell klar, warum die Wettquote für einen Heimsieg bei 8,5 ist. Sartid gewinnt locker mit 8:0. Bei ca. 300 Zuschauern kommen wir erwartungsgemäß zügig weg.
Der weitere Weg führt nun steil nach oben. Eben bewundern wir noch bei 25°C die ins Tal hineinziehende Wolkenbank, schon sind wir nach diversen Spitzkehren mitten in dieser und bei 2°C dem Schnee näher als wir und für diese Tour auch nur ungefähr vorstellen konnten. Andorra liegt uns zu Füßen, ward aber nicht mehr gesehen.
Mit angehaltenem Atem und dem Wagen an der Belastungsgrenze werden bei weiterer Nullsicht weitere Spitzkehren gemeistert, ehe der Abstieg auf der französischen Pyrenäenseite uns einmal mehr davon überzeugt, genau die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Diesmal halten wir den Atem nicht so sehr wegen der kurvenreichen Strecke an, sondern wegen den sich bietenden Aussichten: einfach atemberaubend schön. Auch die folgenden südfranzösischen Ortsdurchfahrten wie Carcassonne, Béziers, Clermont oder Millau (noch ohne Talbrücke), Clermont-Ferrand oder Chalon sur Saône bringen uns eine Fülle weiterer unerwarteter und im Ursprung ungeplanter Eindrücke. Schon jetzt läßt sich festhalten, daß wir auf dem Hinweg die geradlinigere und schnellere Strecke über Aachen-Paris-Bordeaux gewählt haben, für die Rückfahrt aber eindeutig die schönere. In Denzlingen machen wir unsere letzte Rast. Ein paar Weizen und das spannende England-Krotien-Spiel später nehmen wir die letzte Etappe einer unvergesslichen Tour.