ATHEN – Ostern : 2009

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Dieser Jahresbeginn hat es in sich. Neben zwei Messen der komplette März inkl. der Wochenenden zu bis obenhin. Ein paar freie Tage und Tapetenwechsel sehne ich also herbei. Ostern ist es soweit und mit Henning kann für die griechische Hauptstadt ein Mitstreiter gefunden werden.

Ostersamstag kommen wir an. Flughafen und Stadt verbindet seit den Olympischen Spielen 2004 eine Metrolinie. Nutzbar ist sie aktuell allerdings nicht; 2004 wurde die Strecke eilig fertig gestellt, nur wurden die Zwischenstationen weggelassen, welche jetzt nachträglich gebaut werden. Also die 27 km als Busfahrt. Die vermittelt uns einen ersten Eindruck vom chaotischen Verkehr in Athen. Eine gute Stunde Fahrzeit später sind wir an der Station Omonia, irgendwo in der Nähe ist unser Hotel. Finden wir dann auch, aber wir fragen uns schon, in welcher Gegend wir da gelandet sind. Ist der Platz ein Dealer- und Fixerplatz oder ist das nur der südländische Alltag? Und ist es normal, dass am Ostersamstag um 21.30 gebaggert wird als gäb’s kein Morgen mehr? Toller Auftakt möcht man meinen, aber das Hotel ist okay und das Zimmer doppelverglast, denn, so werden wir an der Rezeption informiert, irgendein wichtiges Kabel ist beschädigt worden und der Baulärm wird rund um die Uhr zu genießen sein. Da greift man doch gern mal auf Doppelverglasung zurück… Zu dem Baulärm kommt immerwährender Verkehrslärm, der sich leider nicht im Laufe der Zeit zu einem nebenherlaufenden Grundrauschen entwickelt, sondern dauerhaft nervt. Es ist der Sound eines lärmenden, dreckigen, engen, wenig angenehm riechenden Molochs, von dem ich mir den Sommer gar nicht erst vorstellen möchte. Dieser Moloch empfängt uns am Ostersonntag ungefähr genauso, wie er uns am Abend zuvor in den Schlaf entlassen hat. Der Vorplatz ist heller, nach Dealern und Fixern sieht es nicht mehr ganz aus. Dafür scheint der große Kreis, den man um den Omonia-Platz ziehen kann, ein einziger großer Basar zu sein. Allerdings einer der lästigeren Sorte. Eng, aggressiv und lästig geht’s zu.

Das haben wir zum Glück bei der Akropolis nicht. Es ist ja nicht nur das Parthenon, es liegen noch einige weitere alte Steine herum, sodass ein Areal von beachtlicher Weite und vergleichsweiser Ruhe entstanden ist. Noch weniger Gedränge am Tempel des Olympischen Zeus und am alten Olympiastadion, in das wir leider nicht hineinkönnen.

Wohltuende Ruhe und einen rasanten Blick haben wir später vom 277 m hohen Likavittós. Akropolis und Stadion liegen einem zu Füßen, wenn auch etwas entfernt. Alles beherrschend aber ist der 360°-Blick: was bis zum Horizont zu sehen ist, ist bebaute Fläche. Einen der 38 Wohnbezirke auszumachen ist komplett unmöglich, genauso wie es unmöglich ist eine Grenze zwischen Athen und Piräus zu sehen. Einfach nur bebaute Fläche bis zum Meer.

Nach so viel martialischer Größe zieht es uns in kleinere Strukturen zurück und das heißt für den Moment Pláka. Die Altstadt macht Spaß, weil sie vergleichsweise ruhig ist, was sich in der Nähe der Restaurants aber blitzschnell ändert. Pulsierendes Leben einerseits, aggressive Lokalangestellte, die um die Gunst der Kunden werben, andererseits. Dazu kommt, dass das Essen kaum in Ruhe genossen werden kann: entweder ist es eine lärmende und schlecht musizierende Kapelle, die die engen Gassen entlang zieht oder es sind diverseste fliegende Händler, die meist höchst unnützes Zeug verticken wollen. Aber wenigstens hat es uns jedes Mal geschmeckt. Der Hafen von Piräus ist nicht weit, die Metro macht’s möglich. Abwechslung vom Häusermeer bringt er, schön ist allerdings anders. Bleibt noch der Fußball: Den verbinden wir mit einem ausgedehnten Gang über das Olympiagelände. Kaum fünf Jahre sind die Spiele her und verschiedentlich setzt bereits Rost an. Schnell hingeklotzt und nach dem medialen Großereignis sich selbst überlassen; so sehen die ehemaligen Wettkampstätten, so sieht das gesamte Gelände aus. Wenigstens ein paar Motive ergeben sich.

Nicht sich selbst und der Zeit überlassen wirkt das Olympiastadion mit regelmäßigem Spielbetrieb. Ein wenig überdimensioniert für den AEK Athen, der das Stadion selten füllen kann. Für die Nationalmannschaft indes passend. Die Dachkonstruktion ist gewaltig, wenngleich uns nicht ganz klar wird, wozu sie eigentlich da sein soll. Ob sie den Regen von den Rängen halten kann, ist fraglich. Ein großes Sonnensegel? Oder nur Kunst am Bau? Wer weiß…

Die Kulisse von 13.847 Zuschauern zu AEK Athen gegen ARIS Saloniki wirkt in dem großen Rund etwas verloren. Wenn aber mal alle mitziehen, dann kann es richtig laut werden hier. Gibt nur zu selten Gelegenheit dazu, der Gast spielt die erste Halbzeit routiniert runter, geht 1:0 in Führung und übersteht in der zweiten Halbzeit die eine oder andere brenzlige Situation. Im (fast) dauersupportenden Ultrablock spielen sich derweil Szenen ab, die den bigotten deutschen Fußballverantwortlichen dreimal zum Spielabbruch mit satter Strafe gereicht hätten. Bengalische Feuer ohne Ende, Knaller und Kanoneschläge begleiten den Support, dem zu guter letzt auch ein paar Sitzschalen zum Opfer fallen. Südländischer Support sieht eben anders aus.

Am Abflugstag ein Gang zu den Markthallen mit liebevoll drapierten Getier, in Barcelona soll es spannender sein, was ich Henning gern glaube. Hektisch und laut wie alles in der Stadt ist’s da, nur war es hier zu erwarten. Drei intensive Tage in Athen gehen zu Ende. Das Fazit fällt leicht: Mit Athen habe ich nun die Hauptstadt Griechenlands gesehen, eine Offenbarung ist sie nicht; es gibt definitiv schönere und charmantere Städte, auch im verkehrschaotischen mediterranen Raum; trotz Akropolis und weiterer alter Steine. Abschalten mit Tapetenwechsel und neuen Eindrücken war nach diesem März allerdings genau richtig! Verbunden mit dem Länderpunkt also durchaus okay.

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